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Totengrund

Totengrund

Titel: Totengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Stimmen erhoben sich zu seiner Verteidigung. »Der Prophet lügt nicht!«
    Jeremiah sah MacAfee an. »Ich denke, da haben Sie Ihre Antwort, Lieutenant.«
    »Bei Weitem nicht«, gab MacAfee scharf zurück.
    »Seht ihr es, meine Freunde?«, rief Jeremiah und sah sich unter seinen Anhängern um. »Wie sie das Haus Gottes mit ihrer Armee und ihren Waffen entweihen?« Er schüttelte mitleidig den Kopf. »Diese bombastische Demonstration der Stärke ist die Taktik kleiner Männer.« Er lächelte MacAfee an. »Hat es bei Ihnen funktioniert, Lieutenant? Fühlen Sie sich jetzt größer ?«
    Diese Provokation war mehr, als MacAfee ertragen konnte. Offensichtlich getroffen von Jeremiahs Spott, straffte er die Schultern und richtete sich zu voller Größe auf. »Jeremiah Goode, Sie sind festgenommen. Und diese Kinder befinden sich ab sofort alle in Schutzgewahrsam. Sie werden unter Bewachung vor das Tor gebracht werden, wo Busse auf sie warten.«
    Aus den Reihen der Frauen ertönte ein Schreckensruf, gefolgt von einem Chor weinender und schluchzender Stimmen. Die ganze Gemeinde erhob sich protestierend von den Sitzen. Binnen weniger Sekunden hatte MacAfee die Kontrolle über den Saal verloren, und Jane sah, wie die Hände der Polizisten zu ihren Waffen gingen. Instinktiv griff sie nach ihrer eigenen, während der Zorn der Gemeinde hochkochte und nur noch der letzte Funke zu fehlen schien, um die Gewalt explodieren zu lassen.
    »Meine Freunde! Meine Freunde!«, rief Jeremiah. »Bitte, lasst uns friedlich bleiben.« Er hob die Arme, und sofort wurde es still im Saal. »Die Welt wird die Wahrheit früh genug erfahren«, verkündete er. »Sie wird sehen, dass wir uns würdevoll und menschlich verhalten haben. Dass wir, als die Staatsgewalt uns ihr brutales Gesicht zeigte, mit Anstand und Demut reagiert haben.« Er stieß einen tiefen, betrübten Seufzer aus. »Meine Freunde, wir haben keine Wahl, wir müssen uns fügen. Und ich muss mich dem Willen dieser Leute beugen. Ich bitte euch nur um eines: Vergesst nicht, was ihr heute hier gesehen und gehört habt. Die Ungerechtigkeit, die Grausamkeit, mit der Familien auseinandergerissen wurden.« Er richtete seinen Blick nach oben, als spräche er direkt zum Himmel. Da erst bemerkte Jane das Gemeindemitglied, das auf der Empore saß und die ganze Rede filmte. Das hier wird alles aufgezeichnet. Das Martyrium des Jeremiah Goode auf Video. Wenn die Aufnahmen erst einmal in den Händen der Medien wären, würde die ganze Welt von diesem unerhörten Vorgehen gegen eine friedliche Gemeinde erfahren.
    »Nicht vergessen, Freunde!«, mahnte Jeremiah.
    »Wir vergessen nicht!«, antwortete die Gemeinde im Chor.
    Er stieg die Stufen vom Podium hinunter und ging gelassen auf die wartenden Polizeibeamten zu. Während er an seinen betroffenen Anhängern vorbei den Mittelgang entlangschritt, war der Saal von Weinen und Schluchzen erfüllt. Doch Jeremiahs Miene war nicht kummervoll; was Jane in seinen Zügen sah, war Triumph. Er hatte diese Konfrontation geplant und inszeniert – eine Szene, die auf den Fernsehbildschirmen der Nation wieder und wieder zu sehen sein würde. Der bescheidene Prophet, der ruhig und voller Würde auf seine Peiniger zuging. Diese Schlacht hat er gewonnen, dachte sie. Vielleicht auch den ganzen Krieg. Wie könnte ein Geschworenengericht ihn verurteilen, schien er doch selbst das Opfer zu sein?
    Vor MacAfee blieb er stehen und hob die Hände, bot demütig seine Handgelenke dar, um sich Handschellen anlegen zu lassen. Die Symbolik hätte nicht offenkundiger sein können. MacAfee tat ihm den Gefallen, und das Klicken des Metalls hallte erschreckend laut durch den Saal.
    »Werden Sie uns alle auslöschen?«, fragte Jeremiah.
    »Hören Sie doch auf mit dem Unsinn«, gab MacAfee zurück.
    »Sie wissen ganz genau, dass ich nichts zu tun hatte mit dem, was in Kingdom Come passiert ist.«
    »Das werden wir schon noch herausfinden.«
    »Tatsächlich? Ich glaube, Sie wollen die Wahrheit gar nicht wissen. Weil Sie sich schon auf Ihren Schurken festgelegt haben.« Mit hoch erhobenem Kopf schritt er durch das Spalier aus Polizisten. Doch als er sich dem Ausgang näherte, blieb er plötzlich stehen, den Blick auf Cathy Weiss geheftet. Langsam formten sich seine Lippen zu einem Lächeln des Wiedererkennens. »Katie Sheldon«, sagte er leise. »Du bist zu uns zurückgekommen.«
    Jane sah Cathy, die beängstigend blass geworden war, irritiert an. »Aber Sie haben mir doch erzählt, Katie Sheldon

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