Totengrund
Kissen geholt, und ihres roch nach Schweiß und Aftershave. Das Kissen des Ehemanns.
Mit seinem Geruch an ihrer Wange schlief sie ein und träumte von einem dunkelhaarigen Mann mit strengem Ausdruck, der sie beim Schlafen beobachtete. Sie sah seinen drohenden Blick, doch sie konnte keinen Finger rühren, konnte sich nicht wehren, ihre Glieder gelähmt vom Schlaf. Mit pochendem Herzen wachte sie auf, rang nach Luft, die Augen vor Schreck geweitet.
Doch da stand niemand und starrte auf sie herab. Sie sah nur einen leeren, düsteren Raum.
Ihre Decke war heruntergerutscht, und es war eiskalt im Zimmer. Sie drehte sich zum Kamin um und sah, dass nur noch ein paar Glutbrocken darin glommen. Arlo lehnte mit dem Rücken am Kamin, er schnarchte, das Kinn auf die Brust gesunken. Er hatte das Feuer herunterbrennen lassen.
Fröstelnd und steif vom Liegen auf dem kalten Boden stand Maura auf und legte ein neues Scheit in den Kamin. Es fing fast sofort Feuer; bald schon knisterten die Flammen und strahlten wohlige Wärme ab. Sie blickte angewidert auf Arlo hinunter, der ungerührt weiterschnarchte. Zu nichts zu gebrauchen, dachte sie. Ich kann mich nicht einmal darauf verlassen, dass sie das Feuer in Gang halten. Sie hatte einen Riesenfehler gemacht, als sie sich mit diesen Leuten eingelassen hatte. Sie hatte Arlos Witzchen satt, genau wie Grace s Gejammer und Dougs unerschütterlichen Optimismus. Und Elaine machte sie nervös, auch wenn sie nicht recht wusste, warum. Sie erinnerte sich daran, wie Elaine sie angestarrt hatte, als Doug Maura oben auf der Straße umarmt hatte. Ich bin der Eindringling, das fünfte Rad am Wagen dieses munteren Quartetts, dachte sie. Und Elaine hatte etwas gegen sie.
Inzwischen brannte das Feuer hell und warm.
Maura warf einen Blick auf ihre Uhr und sah, dass es vier Uhr morgens war. Sie war ohnehin schon fast an der Reihe mit der Bewachung des Feuers, also konnte sie auch gleich wach bleiben, bis es hell wurde. Als sie aufstand, um sich zu strecken, bemerkte sie ein Flimmern am äußersten Rand des Bereichs, der vom Kaminfeuer erhellt wurde. Als sie näher trat, sah sie, dass es Wassertropfen auf dem Holzboden waren, in denen die Flammen sich spiegelten. Und dann bemerkte sie ein Stück weiter im Halbdunkel eine dünne weiße Schicht auf dem Boden. Irgendjemand hatte die Haustür geöffnet, und ein Schwall Schnee war hereingeweht.
Sie ging zur Tür, wo der Schnee noch nicht geschmolzen war, und starrte auf das feine Pulver hinunter. Auf den Abdruck eines einzelnen Schuhs, der sich in den Schnee eingeprägt hatte.
Rasch drehte sie sich um, ließ den Blick durch den Raum schweifen und zählte die Schlafenden. Alle vollzählig versammelt, niemand fehlte.
Die Tür war nicht verschlossen; niemand hatte am Abend daran gedacht, den Riegel vorzulegen. Wozu auch? Wen wollten sie denn hier aussperren?
Sie schob den Riegel vor und trat ans Fenster, um hinauszuschauen. Obwohl das Zimmer allmählich wieder wärmer wurde, zitterte sie unter ihrer Decke. Der Wind heulte im Kamin, und sie hörte das Prickeln der Schneeflocken an der Scheibe. Draußen konnte sie nichts erkennen, es war alles schwarz. Aber wenn da draußen jemand wäre, würde er sie deutlich sehen, als Silhouette, die sich gegen den Feuerschein abzeichnete.
Sie trat vom Fenster zurück und setzte sich fröstelnd auf den Teppich. Der Schnee vor der Tür schmolz dahin, und mit ihm verschwanden die letzten Reste des Fußabdrucks. Vielleicht war die Tür in der Nacht von selbst aufgegangen, vielleicht war jemand von ihnen aufgestanden, um sie zu schließen, und hatte dabei den Abdruck hinterlassen. Oder vielleicht war jemand kurz hinausgegangen, um nach dem Wetter zu sehen oder in den Schnee zu pinkeln. Sie war jetzt hellwach, während sie dasaß und zusah, wie die Nacht allmählich der Dämmerung wich, wie ein grauer Schimmer nach und nach die Schwärze verdrängte.
Die anderen regten sich nicht.
Als sie aufstand, um noch einmal Holz nachzulegen, sah sie, dass nur noch wenige Scheite übrig waren. Draußen im Schuppen lagerte reichlich Holz, aber es war wahrscheinlich feucht. Wenn sie wollten, dass es rechtzeitig trocknete, musste irgendjemand jetzt einen Armvoll holen gehen. Sie warf einen Blick auf die schlafende Truppe und seufzte. Dieser Jemand bin dann wohl ich.
Sie zog ihre Stiefel und Handschuhe an, schlang ihren Schal um Hals und Gesicht und schob den Riegel der Haustür zurück. Innerlich gewappnet gegen die Kälte, trat sie über
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