Totengrund
an, dass sie eine weltliche Trauerfeier gewollt hätte.«
Jane warf einen Seitenblick auf Brophy, der mit einem Mal ganz starr geworden war. Sie glaubte nicht, dass Sansones Bemerkung als Spitze gegen den Priester gemeint war, doch die Spannung zwischen den beiden Männern war plötzlich mit Händen zu greifen.
Brophy sagte knapp: »Auch wenn sie sich von der Kirche abgewandt hatte, sie hat sie doch weiterhin respektiert.«
»Sie war Wissenschaftlerin mit Leib und Seele, Pater Brophy. Die Tatsache, dass sie die Kirche respektierte, bedeutet nicht, dass sie an ihre Lehren geglaubt hat. Einen Gottesdienst zu ihrer Beerdigung hätte sie wahrscheinlich als unpassend empfunden. Und würde man ihr als Atheistin nicht ohnehin ein katholisches Begräbnis verweigern?«
Brophy wandte sich ab. »Ja«, räumte er ein. »Das ist die offizielle Linie.«
»Dann ist da noch die Frage, ob sie eine Erd- oder eine Feuerbestattung gewünscht hätte. Wissen wir, was Maura wollte? Hat sie das Thema Ihnen gegenüber jemals angesprochen?«
»Warum sollte sie? Sie war jung !« Brophys Stimme überschlug sich plötzlich. »Wenn man erst zweiundvierzig ist, denkt man doch nicht daran, was mit der eigenen Leiche geschehen soll! Man denkt nicht darüber nach, wen man zu seiner eigenen Beerdigung einladen würde und wen nicht. Man ist vollauf damit beschäftigt, zu leben. « Er holte tief Luft und sah in die andere Richtung.
Lange Zeit sagte niemand etwas. Das einzige Geräusch war das stetige Dröhnen der Düsentriebwerke.
»Wir müssen also die Entscheidungen für sie treffen«, sagte Sansone schließlich.
» Wir? «, fragte Brophy.
»Ich versuche nur, meine Hilfe anzubieten. Und die nötigen Mittel; koste es, was es wolle.«
»Nicht alles lässt sich mit Geld bezahlen. Nicht alles lässt sich kaufen.«
»Sie glauben tatsächlich, dass ich das will?«
»Deswegen sind Sie doch hier, oder nicht? Deswegen sind Sie doch mit Ihrem Jet aufgekreuzt und haben das Kommando an sich gerissen. Weil Sie es können. «
Jane beugte sich vor und legte Brophy die Hand auf den Arm. »Daniel, beruhigen Sie sich.«
»Ich bin hier, weil Maura auch mir etwas bedeutet hat«, sagte Sansone.
»Was Sie uns beiden ja auch überdeutlich demonstriert haben.«
»Pater Brophy, mir war immer klar, wem Mauras Herz gehörte. Ich konnte tun, was ich wollte – nichts von alldem, was ich ihr bieten konnte, hätte etwas an der Tatsache ändern können, dass Sie es waren, den sie liebte.«
»Aber trotzdem haben Sie die ganze Zeit im Hintergrund gelauert. Und auf Ihre Chance gehofft.«
»Auf eine Chance, ihr meine Hilfe anzubieten, sollte sie sie je brauchen. Die Hilfe, um die sie nie gebeten hat, als sie noch lebte.« Sansone seufzte. »Hätte sie es doch nur getan. Ich hätte sie vielleicht …«
»Retten können?«
»Ich kann das Geschehene nicht ungeschehen machen. Aber wir wissen beide, dass es hätte anders kommen können.« Er sah Brophy unverwandt an. »Sie hätte glücklicher sein können.«
Brophys Gesicht lief tiefrot an. Sansone hatte ihn gerade mit der grausamsten Wahrheit überhaupt konfrontiert. Doch dass es die Wahrheit war, daran konnte niemand zweifeln, der Maura gekannt hatte; niemand, der sie in den vergangenen Monaten beobachtet und zugesehen hatte, wie ihre ohnehin schon schlanke Gestalt immer dünner geworden war, wie der Kummer ihr Lächeln getrübt hatte. Sie war nicht allein gewesen in ihrem Schmerz: Jane hatte den gleichen Kummer in Daniel Brophys Augen gespiegelt gesehen, verstärkt durch Schuldgefühle. Er hatte Maura geliebt, und dennoch hatte er sie unglücklich gemacht; eine Tatsache, die für ihn umso schwerer zu ertragen war, weil es Sansone war, der sie aussprach.
Brophy erhob sich halb aus seinem Sitz, die Hände zu Fäusten geballt, und sie fasste seinen Arm. »Schluss jetzt!«, sagte sie. »Das gilt für Sie beide! Warum tun Sie das? Das hier ist doch kein Wettstreit darum, wer sie am meisten geliebt hat. Wir haben sie alle gern gehabt. Es ist jetzt nicht mehr wichtig, wer sie glücklicher gemacht hätte. Sie ist tot, und niemand kann die Zeit zurückdrehen.«
Brophy sank auf seinen Sitz, und sein Zorn schien sich zu legen. »Sie hätte etwas Besseres verdient gehabt«, sagte er. »Etwas Besseres als mich.« Er drehte sich weg und starrte aus dem Fenster, igelte sich mit seinem Schmerz ein.
Jane wollte wieder die Hand nach ihm ausstrecken, doch Gabriel hielt sie zurück. »Lass ihn ein wenig mit sich allein«, flüsterte
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