Totengrund
er.
Und das tat sie. Sie überließ Brophy seinem Schweigen und seiner Reue und setzte sich zu ihrem Mann. Sansone stand auf und wechselte ebenfalls den Platz, zog sich in den hinteren Teil des Flugzeugs zurück, um sich seinen Gedanken hinzugeben. Den Rest des Flugs saßen sie jeder für sich und schwiegen, während der Jet mit Mauras Leiche ostwärts flog, mit Kurs auf Boston.
22
Oh, Maura, wenn du das doch nur sehen könntest!
Jane stand vor dem Eingang der Emmanuel Episcopal Church und beobachtete, wie ein stetiger Strom von Trauergästen eintraf, um Dr. Maura Isles die letzte Ehre zu erweisen. Maura hätte sich wohl gewundert, dass um sie so viel Aufhebens gemacht wurde. Sie wäre beeindruckt gewesen, und vielleicht auch ein wenig verlegen – sie hatte nie gerne im Mittelpunkt gestanden. Jane kannte viele dieser Menschen, denn sie bewegten sich in der gleichen Welt, in der Maura und sie zu Hause waren, einer Welt, in der sich alles um den Tod drehte. Sie entdeckte Dr. Bristol und Dr. Costas vom Rechtsmedizinischen Institut, begrüßte stumm Mauras Sekretärin Louise und ihren Sektionsassistenten Yoshima. Auch Polizisten waren gekommen – Janes Partner Barry Frost und fast die ganze Belegschaft des Morddezernats. Alle hatten sie die Frau gut gekannt, die sie heimlich »die Königin der Toten« genannt hatten. Eine Königin, die nun selbst Einzug in dieses Reich gehalten hatte.
Doch der Mann, den Maura über alles geliebt hatte, war nicht hier, und Jane konnte verstehen, warum. In seiner tiefen Trauer hatte Daniel Brophy sich zurückgezogen, und er würde nicht an den Beisetzungsfeierlichkeiten teilnehmen. Er hatte sich in aller Stille von Maura verabschiedet; seinen Schmerz öffentlich zur Schau zu stellen, war mehr, als irgendjemand von ihm verlangen konnte.
»Wir gehen besser auf unsere Plätze«, sagte Gabriel sanft. »Sie fangen jeden Moment an.«
Jane folgte ihrem Mann den Mittelgang entlang zur vordersten Bank. Direkt vor ihr stand der geschlossene Sarg, gerahmt von riesigen Vasen voller Lilien. Anthony Sansone hatte keine Kosten gescheut, und der Mahagonisarg war so auf Hochglanz poliert, dass Jane ihr Spiegelbild darin sehen konnte.
Die Priesterin, die den Gottesdienst leiten würde, trat ein – es war Reverend Gail Harriman von der Episcopal Church. Maura wäre es sicher recht gewesen, dass eine Frau ihren Gedenkgottesdienst abhielt. Auch diese Kirche hätte ihr gefallen, die für ihre Offenheit gegenüber allen Gläubigen bekannt war. Maura hatte nicht an Gott geglaubt, wohl aber an Toleranz und Mitmenschlichkeit, und sie hätte diese Wahl gutgeheißen.
Als Reverend Harriman zu sprechen begann, nahm Gabriel Janes Hand. Sie spürte, wie sich ihre Kehle zusammenschnürte, und kämpfte gegen die demütigenden Tränen an. Während der vierzig Minuten, in denen Predigten, Gesänge und persönliche Worte des Gedenkens sich abwechselten, mühte sie sich um Fassung, die Zähne zusammengebissen, den Rücken steif gegen die Kirchenbank gedrückt. Als der Gottesdienst schließlich beendet war, waren ihre Augen immer noch trocken, aber ihre sämtlichen Muskeln schmerzten, als ob sie gerade vom Schlachtfeld wankte.
Die sechs Sargträger, unter ihnen Gabriel und Sansone, erhoben sich, und gemeinsam trugen sie den Sarg in feierlich langsamem Schritt an den Bankreihen entlang zum Ausgang, wo der Leichenwagen wartete. Die anderen Trauergäste folgten, doch Jane rührte sich nicht von der Stelle. Sie blieb sitzen, während vor ihrem inneren Auge Mauras letzte Reise ablief. Die Fahrt zum Krematorium. Der Moment, in dem der Sarg in die Flammen geschoben wurde, wo Knochen in Asche verwandelt wurden.
Ich kann nicht glauben, dass ich dich nie wiedersehen werde.
Der Vibrationsalarm ihres Handys schreckte sie auf. Während der Trauerfeier hatte sie den Klingelton abgestellt, und das plötzliche Summen des Telefons an ihrem Gürtel erinnerte sie schlagartig daran, dass ihre dienstlichen Verpflichtungen nach wie vor ihre Aufmerksamkeit forderten.
Die angezeigte Nummer hatte eine Vorwahl aus Wyoming. »Detective Rizzoli«, meldete sie sich leise.
Am anderen Ende vernahm sie Queenans Stimme. »Sagt Ihnen der Name Elaine Salinger irgendetwas?«, fragte er ohne lange Vorrede.
»Sollte er das?«
»Sie haben den Namen also noch nie gehört.«
Sie seufzte. »Ich habe gerade den Gedenkgottesdienst für Maura hinter mir. Ich fürchte, ich kann mich gerade nicht so recht auf Ihren Anruf konzentrieren.«
»Eine Frau
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