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Totengrund

Totengrund

Titel: Totengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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und starrte auf das, was vom Gesicht übrig war. Sie versuchte, irgendetwas zu erkennen, was ihr bekannt vorkam, doch alles, was sie sah, war eine grotesk entstellte Maske aus verkohltem Fleisch.
    Hinter ihr schnappte jemand erschrocken nach Luft, und als sie sich umdrehte, sah sie Mauras Sekretärin Louise in der Tür stehen. Louise verirrte sich nur selten in den Sektionssaal, und Jane war überrascht, sie hier zu sehen, zumal zu so später Stunde. Die Frau trug ihren Wintermantel, und in ihren vom Wind zerzausten Haaren glitzerten schmelzende Schneeflocken.
    »Sie gehen besser nicht näher ran, Louise«, sagte Bristol.
    Aber es war schon zu spät. Louise hatte die Leiche bereits erblickt, und sie stand wie angewurzelt da, zu entsetzt, um auch nur einen weiteren Schritt in den Raum zu tun. »Dr. … Dr. Bristol …«
    »Was gibt ’ s?«
    »Sie hatten doch nach ihrem Zahnarzt gefragt. Sie wollten wissen, zu wem Dr. Isles gegangen ist. Mir ist plötzlich eingefallen, dass sie mich gebeten hatte, einen Termin für sie zu machen, also habe ich mir noch einmal den Kalender vorgenommen. Es war vor ungefähr einem halben Jahr.«
    »Sie haben den Namen des Zahnarztes gefunden?«
    »Besser noch.« Louise schwenkte einen braunen Umschlag. »Ich habe ihre Röntgenaufnahmen. Als ich ihm erklärt habe, wozu wir sie brauchen, hat er gesagt, ich soll gleich herkommen und sie abholen.«
    Bristol durchquerte den Raum mit ein paar schnellen Schritten und nahm Louise den Umschlag aus der Hand. Yoshima pflückte schon die Schädelaufnahmen vom Leuchtkasten, und die unhandlichen Filme gaben ein schwirrendes Geräusch von sich, als er sie hastig aus den Clips zog, um Platz zu schaffen.
    Bristol zog die Zahnaufnahmen aus dem Umschlag. Es waren keine Orthopantomogramme, wie sie in der Rechtsmedizin angefertigt wurden, sondern kleine Bissflügel-Röntgenaufnahmen, die in Bristols fleischigen Händen noch winziger wirkten. Als er sie an den Kasten hängte, sah Jane den Namen der Patientin in der Ecke.
    Isles, Maura.
    »Diese Aufnahmen stammen alle aus den letzten drei Jahren«, stellte Bristol fest. »Und wir haben hier reichlich Material für eine Identifizierung. Goldkronen auf den Backenzähnen unten links und rechts. Und hier, eine alte Wurzelbehandlung …«
    »Ich habe von dieser Leiche OPGs gemacht«, sagte Yoshima. Er sah die Röntgenbilder durch, die er von dem verkohlten Unfallopfer angefertigt hatte. »Hier.« Er schob die Filme in die Clips, direkt neben Mauras Bissflügel-Aufnahmen.
    Alle rückten näher. Einen Moment lang sagte niemand etwas, während ihre Blicke zwischen den zwei Gruppen von Röntgenbildern hin und her gingen.
    Dann sagte Bristol: »Ich denke, der Fall ist klar.« Er wandte sich an Jane. »Die Leiche auf dem Tisch ist nicht Maura.«
    Die Luft entwich aus Janes Lunge. Yoshima ließ sich gegen die Arbeitsplatte sinken, als sei er plötzlich zu schwach, um sich auf den Beinen zu halten.
    »Wenn das die Leiche von Elaine Salinger ist«, sagte Gabriel, »dann stehen wir vor der gleichen Frage wie zuvor: Wo ist Maura?«
    Jane nahm ihr Handy und wählte.
    Nach dem dritten Läuten meldete sich eine Stimme: »Detective Queenan.«
    »Maura Isles wird immer noch vermisst«, sagte sie. »Wir kommen noch einmal nach Wyoming.«

23
    Maura erwachte mit dem Knistern und Knacken von brennendem Holz in den Ohren. Der Schein der Flammen flackerte über ihre geschlossenen Lider, und sie roch den süßlichen Duft von Sirup und Frühstücksspeck, den Geruch von Schweinefleisch mit Bohnen, das über dem Lagerfeuer köchelte. Obwohl sie völlig regungslos verharrte, spürte ihr Entführer, dass sie nicht mehr schlief. Das Scharren seiner Sohlen kam näher, und sein Schatten verdunkelte den Schein des Feuers, als er sich über sie beugte.
    »Sollten was essen«, knurrte er und hielt ihr einen Löffel voll Bohnen unter die Nase.
    Sie drehte sich weg; allein von dem Geruch wurde ihr schlecht. »Warum tun Sie das?«, flüsterte sie.
    »Ich versuche, Sie am Leben zu halten.«
    »Da ist ein Mann, dort im Dorf. Er muss dringend ins Krankenhaus. Sie müssen mich ihm helfen lassen.«
    »Geht nicht.«
    »Binden Sie mich los. Bitte .«
    »Dann rennen Sie bloß weg.« Er gab den Versuch auf, ihr das Essen aufzuzwingen, und schob sich stattdessen selbst den Löffel in den Mund. Sie sah in das Gesicht, das auf sie herabstarrte. Im Gegenlicht des Feuers konnte sie seine Züge nicht ausmachen; sie sah nur die Umrisse seines Kopfs, monströs

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