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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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und Sonnenbrille.
    Der Schädel war bereits freigelegt. Ich konnte direkt daraufschauen, und der starre Blick der leeren Augenhöhlen war sogar am helllichten Tag schaurig. Um das Grab herum unterhielten sich Cops im Flüsterton oder schwiegen während der Exhumierung. Hinter mir hörte ich jemanden lachen und drehte mich um. Doch da war niemand. Das war ein ganz merkwürdiges Gefühl.
    »Devlin scheint Sie ja immer im Auge zu behalten«, bemerkte Regina.
    »Was?« Überrascht wandte ich mich zu ihr um.
    Sie nickte mit dem Kopf in seine Richtung. »Er schaut ständig hier herüber.«
    Es brauchte einige Willensstärke, ihn nicht anzusehen. »Woher wollen Sie das wissen? Er hat eine Sonnenbrille auf.«
    »Oh, ich weiß es. Ich weiß es immer.« Sie legte ihren Kopf schräg und musterte mich. »Wissen Sie, Sie wären nicht die Erste, die seinem Charme erliegt. Devlin gehört zu den Männern, die uns Frauen bewusst machen, dass die biologische Uhr tickt. Ich nehme an, das liegt an den Pheromonen.«
    »Arbeiten Sie schon lange mit ihm zusammen?«, fragte ich und versuchte, so beiläufig wie möglich zu klingen.
    »Lange genug, um zu wissen, dass es eine sehr viel stärkere Frau braucht, als ich es bin, um diese Schale zu knacken.«
    »Haben Sie seine Frau gekannt?«
    Sie beäugte mich voller Neugier. »Ich bin ihr einmal begegnet. Das hat mir gereicht.«
    »Warum sagen Sie das?«
    »Schwer zu erklären. Es war die Art, wie sie einen ansah   … als würde sie etwas über einen wissen, obwohl sie einem gerade erst begegnet war. Seltsame Frau. Wunderschön   … aber seltsam.«
    Ich dachte an Mariamas Geisterhände in meinen Haaren und an ihre eiskalten Lippen an meinem Hals und erschauerte. Was wusste sie über mich?
    Ich hatte so viele Fragen, dass ich fast platzte, aber ich wollte nicht, dass es zu sehr auffiel, und so ließ ich die Sache auf sich beruhen. Nach einer Weile spazierte Regina davon, und ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder den Ausgrabungen zu. Ich hatte lange genug für Temple gearbeitet, um zu wissen, wonach sie suchte, um Beweise dafür zu finden, dass eine formelle Beerdigung stattgefunden hatte: Stofffetzen von der Sargauskleidung, Stoffreste an den Knochen, Zwecken und Nadeln, die man benutzt hatte, damit die Kleidung nicht verrutschen konnte, und in Gräbern, die so alt waren wie dieses hier, Kupfermünzen, die man den Verstorbenen auf die Lider gelegt hatte. Ethan suchte derweil nach grausigeren Indizien   – nach weichem oder mumifiziertem Gewebe, nach Fasern von Muskeln oder Sehnen, nach Insekteneinschlüssen   – und prüfte die Farbe der Knochen und den Verwesungsgeruch.
    Da, wo ich stand, roch ich nichts. Und da es so heiß war an diesem Tag, war ich dankbar dafür.
    Bis zum späten Nachmittag hatte man ein teilweise intaktes Skelett geborgen sowie Zähne, Kleidungsreste und etwas Schmuck. Alles wurde in einen Leichensack gesteckt, damit es in Ethans Labor geschafft werden konnte.
    Nachdem man die sterblichen Überreste weggebracht hatte, löste sich die Menschenmenge auf. Temple und ich blieben noch eine Weile da, um zu bestimmen, ob die Grabstelle Schaden genommen hatte. Dann ging auch sie, und ich war ganz allein. Ich öffnete meine Tasche und holte mein persönliches Handwerkszeug heraus.
    Mit einer weichen Bürste und einem Holzspatel entfernte ich so viel von dem Moos und den Flechten auf dem Grabstein, wie ich konnte, ohne den brüchigen Stein zu beschädigen. Dannstellte ich einen Spiegel so auf, dass er das Licht reflektierte, und richtete ihn so lange aus, bis ich das Bild und die Inschrift erkennen konnte:
    Die zarte Rose so schnell verblasst,
    Befreit von ird’scher Qual,
    Liegt sie nun in ewiger Rast.
    Ich las den Vers einmal und dann noch einmal, dieses Mal langsamer. Und bei jedem Wort spürte ich, wie etwas Unheilvolles und Böses mich bedrängte.
    Meine Hände zitterten vor Erregung, als ich hastig mein Telefon herausholte, mich ins Internet einloggte, meinen Blog öffnete und schnell durch die Kommentare scrollte.
    Da war es, nur wenige Minuten nach dem ersten Epitaph eingestellt worden. Ich ging die anderen anonymen Kommentare durch, loggte mich wieder aus und steckte mein Telefon weg.
    Ich las die Zeilen zum dritten Mal und bekam eine solche Gänsehaut, dass sich mir die Nackenhaare aufstellten.
    Die Inschrift auf einem schmutzigen Grabstein konnte jahrzehntelang verborgen bleiben, aber wenn man sie im richtigen Licht aus einem bestimmten Winkel betrachtete,

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