Totenheer (German Edition)
Befehl hin zog die Man n schaft die Ruder ein und setzte das große Vierkantsegel. Eine Win d bö trieb das Schiff rasch voran. Je mehr Entfernung zwischen Schiff und Hafen lagen, desto mehr Macht erlangte auch die Dunkelheit.
Larkyen hoffte inständig, der König der Kentaren würde sich bereit erklären, sein Heer für die Bezwingung der Stryg a rer bereitzustellen und seine Erfahrungen als Feldherr mit se i nen einstigen Feinden zu teilen. Die Geschichte der Verga n genheit hatte nur zu oft bewiesen, dass sich die Völker der Menschen im Angesicht größerer Bedrohungen ihrer gemei n samen Hoffnungen und Wünsche besannen und neue Bündni s se schmied e ten.
Er stand mit Wothar am Heck des Schiffes, und als er in das Gesicht seines Gefährten blickte, da wusste er, dass der Kent a re eben jene Hoffnungen und Wünsche hegte, die notwendig waren. Nur wenige Schritte entfernt steuerte Gyland das Schiff, und abermals setzte er sein widerliches Grinsen auf.
„In Kaythan wird euer kurzer Besuch noch lange für G e sprächsstoff sorgen“, rief der Schiffsherr. „Wothar der Kentare ist dort gesichtet worden.“ Als Gyland lachte, blähten sich se i ne Backen auf, und er erinnerte wieder an eine Kröte. Dann widmete er sich ganz dem U n sterblichen und wurde wieder ernst. „He, Larkyen. Erlaube mir, dir die Frage zu stellen, was du über diese Bestien weißt, die Ken-Tunys heimsuchen und von denen die Leute sich erzählen. Ein Unsterblicher kommt wohl noch mehr in der Welt herum als ein alter Schmuggler wie ich.“
Und so berichtete Larkyen auch Gyland von den Strygarern, und seine Erzählung lehrte selbst den erfahrenen und abgehä r teten Seemann, was es hieß, etwas zu fürchten, das man noch nie mit eigenen Augen gesehen hatte.
Liebe war gewiss kein Privileg der Unsterblichen, doch sie g e hörte Larkyens Ansicht nach zu den kostbarsten Schätzen, die ein ewiges Leben zu bieten hatte. Denn Liebe war etwas Ve r gängliches, so vergänglich wie das Leben eines Sterblichen, das in den Äonen der Welt nicht mehr als ein flüchtiger A u genblick war. Nur das graue Meer und ein heimtückischer K ö nig trennten ihn jetzt noch von Patryous. Er konnte es kaum erwarten, zu ihr zurückzukehren, in ihre Augen zu sehen, diese bernsteinfarbenen Raubtieraugen, die für ihn die G e heimnisse ganzer Epochen offenbarten. Er sehnte sich danach, ihre Li p pen zu berühren, und ihre Haut, die so glatt wie die feinste Se i de war. Die Göttin Patryous hatte so viele Vorzüge , dass man sie fast vollkommen hätte nennen können, und sie zeigte ein tiefes Verstän d nis dafür, dass er ein Lebensfresser war, der im Verlauf seiner Existenz Berge von Gebeinen zurückließ. Mit ihr an seiner Seite würde er sich noch wohler fühlen, wenn er in die große Schlacht gegen die Strygarer zog.
Der Wind wurde stärker und brachte Schneeflocken mit sich, das aufgewühlte Meer verschmolz mit der Nacht zu einer tie f schwarzen Masse. Plötzlich brach einer der Seemänner nahe der Reling zusa m men und schlug dumpf auf den Planken auf. Während drei Männer zur Hilfe eilten, brachen nahe dem Bug andere Mitglieder der Man n schaft nun ebenfalls zusammen.
„Sie sind bewusstlos“, rief jemand. „Die Männer sind ve r letzt, sie bluten am Hals.“
„Verdammtes Gesindel“, knurrte Gyland. „Sie fallen um wie die Fliegen. Sobald sie wieder aufwachen, lasse ich sie kielh o len.“
„Etwas hat mich gebissen“, rief ein anderer Seemann, bevor auch seine Knie nachgaben. „Es spukt an Bord.“
Immer mehr Seeleute sanken zu Boden und verharrten dort wie in einer Starre.
Larkyen beobachtete dieses Phänomen misstrauisch. Aus der R e gungslosigkeit heraus begannen sich die Seemänner nun in Krämpfen zu winden und rissen ihre Münder weit auf, als wollten sie schreien, doch nur ein tiefes, unmenschliches Knu r ren drang aus i h ren Kehlen.
„Strygarer!“ schrie Larkyen. Der Unsterbliche zog sein Schwert und sprang den neugeborenen Feinden entgegen. Noch ehe die meisten begriffen, wie ihnen geschah, hatte er ihre be s tialische Existenz b e reits wieder beendet.
Dann hörte Larkyen von irgendwo über sich das Rauschen großer Flügel, sie fächerten einen Sturm auf ihn zu. Er spürte einen kräft i gen Griff in seinem Nacken, lange Krallen schnitten in sein Fleisch und schabten über den darunterliegenden Kn o chen. Mit einer schwungvollen Bewegung wurde er über Deck geschleudert, das Schwert entglitt seinen Fingern. Larkyens Wunde
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