Totenklage
der Spurensicherung Druck machen. Dann werden wir unseren Mörder schon erwischen. Okay?«
» Ja, Sir.«
»› Ja‹ wie in › Ich habe Sie gehört, aber ich werde trotzdem tun, was ich will‹ oder einfach nur › Ja‹? Sie wissen schon, das gute, altmodische Ja.«
Ich muss grinsen. Meine Tasse ist noch voll. Ich mag kein nasses Heu. » Ein gutes, altmodisches Ja. Einverstanden?«
» Gut. Gut. Was für ein Tag ist morgen? Was, schon Sonntag? Haben Sie die ganze Woche durchgearbeitet?«
» Ja.«
» Dann nehmen Sie sich morgen frei. Fahren Sie nach Hause. Entspannen Sie sich, wie auch immer. Schlafen Sie aus. Wenn Sie Montag wieder reinkommen wollen, habe ich nichts dagegen. Aber passen Sie auf sich auf. Schalten Sie einen Gang runter. Solche Fälle können einen kaputtmachen.«
» Jawohl, Sir.«
Ich stehe auf und verabschiede mich. So ist das im Leben. Es geht immer nur vorwärts.
18
Ich hole meine Sachen, gehe zum Parkplatz, schließe das Auto auf, steige ein und sitze mit geöffneter Tür da. Ich bin erschöpft, und mein Hirn ist völlig leer. Entspannen Sie sich, wie auch immer. Ja, wie? Die offensichtliche Lösung wäre wohl, in meinem Garten illegale Substanzen zu rauchen, aber das ist ziemlich einsam. Da läuft mein Hirn im Leerlauf, und das ist gefährlich. Ich brauche Gesellschaft.
Es ist wieder kälter geworden. Am Nachmittag wehte ein kräftiger Westwind und brachte ein paar kurze, heftige Regenschauer. Dicke Tropfen, die wie Hagel auf die Straßen eintrommelten. Mittlerweile haben sich die Wolken wieder verzogen und der Boden ist einigermaßen trocken, doch man spürt den Wetterumschwung. Dieser Abend ist klarer und heller als die letzten.
Unwillkürlich muss ich an die Nacht am Taff Embankment denken, an die Prostituierten, die in der Dunkelheit verschwanden. Ich kann mir so ein Leben nicht mal vorstellen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, so einen Tod zu sterben.
Die Leute gehen an mir vorbei. Diejenigen, die mich kennen und trotzdem mögen, heben grüßend die Hand. Ich grüße zurück.
Ich will nicht nach Hause fahren. Zu meinen Eltern will ich auch nicht. Und ich will auch nicht den Abend mit einem Kollegen verbringen. Ein paar meiner Tanten und Cousinen wohnen auf dem Land – im alten Wales. Im richtigen Wales. In einem Wales, das diesem verrückten, überfüllten Küstenabschnitt hier, der sich Stadt nennt, mit Unverständnis begegnet. Das würde mir gefallen. Für ein, zwei Tage mit den Hühnern aufstehen. Durch die Hügel spazieren, wo die Bussarde über einen hinwegziehen und die Regenpfeifer stolz durch die Heidelbeeren stolzieren. Zäune reparieren und Kühe melken.
Irgendwann mal. Jetzt könnte ich mich auch dort nicht entspannen. Stattdessen schließe ich die Autotür und fahre aus der Stadt. Allerdings komme ich nur bis zur St Vincent Road in Penarth.
Penarth ist eine Trabantenstadt. Viktorianische Häuser, gepflegte Gärten. Strandpflanzen, die mir nicht gefallen: Schneeball, Spindelstrauch und, was mir besonders verhasst ist: Escallonia. Dieses verdammte Grünzeug ist nur aufs Überleben ausgerichtet. Mit Ästhetik haben sie nichts am Hut. Da ist mir alles lieber, was nur eine kurze Lebensspanne hat und dann in Schönheit stirbt. Duftender Jasmin, der im ersten Dezembersturm eingeht, hat es zumindest versucht – und nicht nur durchgehalten.
Ich halte an und telefoniere.
» Hallo?«
» Hey, Ed. Ich bin’s, Fi.«
» Hi, Fi. Schön, von dir zu hören. Wie geht’s dir?« Seine Stimme ist voller Leidenschaft und Energie.
» Ja, ganz gut so weit. Was machst du so?«
» Jetzt gerade, heute Abend, oder allgemein im Leben?«
» Erstens und zweitens?«
» Ich schenke mir einen Whisky ein und mach’s mir gemütlich. Gleich kommt eine Wiederholung von Inspektor Morse .«
» Welche Folge? Kennst du die schon?«
Er sagt mir, um welche Folge es sich handelt, und nein, er kennt sie nicht. Ich verrate ihm den Namen des Mörders, den Hinweis, der zur Lösung des Falls führt, und welche falschen Hinweise Colin Dexter ins Drehbuch geschrieben hat. Ich höre, wie er wütend den Fernseher abschaltet.
» Vielen Dank, Fi. Jetzt hab ich heute Abend nichts mehr vor.« Er klingt nicht gerade begeistert.
» Prima. Ich wollte nämlich vorbeischauen. Aber nicht, um Inspektor Morse zu gucken.«
» Wo bist du gerade?«
» Vor deinem Fenster. Ist das Sofa neu?«
Er wirbelt herum und sieht mich am Fenster stehen. Er wirkt nur zu etwa zwei Dritteln erfreut, doch das reicht mir. Er
Weitere Kostenlose Bücher