Totenklage
Annahme, dass sie sich in Gefahr befand. Und selbst wenn Sie sie gestern Nacht noch befragt hätten, hätte sie trotzdem heute Morgen ermordet werden können.«
» Ich weiß.«
» Brauchen Sie psychologische Beratung?«
» Nein. Ich glaube nicht.«
» Das wäre kein Problem. Sagen Sie einfach Bescheid.«
Der Tee kommt. Kamille für mich, ohne den Beutel. Wahrscheinlich hat er zehn Sekunden statt fünf Minuten gezogen. Er schmeckt nach heißem Wasser mit einer leichten Heunote. Jacksons Anweisungen wurden aufs Genaueste befolgt.
» Also«, sagt Jackson und schlürft seinen Tee, » schießen Sie los. Ihnen spuken doch bestimmt jede Menge Theorien im Kopf herum, und ich kann es kaum erwarten, sie zu hören.«
» Nein, keine Theorie. So weit bin ich noch nicht.«
» Okay. Meine Theorie und die aller anderen ist nämlich heute in sich zusammengefallen. Diese Theorie besagte, dass ein Freier Mancini ermordet hat – absichtlich oder nicht – und dann das Mädchen tötete, um es am Reden zu hindern. Ohne Planung. Ohne Vorbereitung. Ohne Grund. Ohne weitere Morde. Ich würde sagen, dass diese Theorie inzwischen für den Arsch ist.«
» Ich habe noch keine Theorie. Wirklich nicht.«
» Aber …?«
» Aber zumindest kann ich Ihnen erzählen, wie ich das Ganze sehe. Erstens: Brendan Rattigans Kreditkarte wurde am Tatort entdeckt. Ein ziemlich ungewöhnlicher Fundort für die Kreditkarte eines Millionärs. Zweitens: Seine Frau hat praktisch zugegeben, dass er auf harten Sex stand. Und da sie seine Neigungen offensichtlich nicht teilte, war sie auch nicht gerade besonders begeistert darüber.«
» Das ist Spekulation.«
» Das ist alles Spekulation. Vor Gericht hat nichts davon Bestand.«
» Okay. Nehmen wir mal an, dass es so ist. Sagen wir, dass Rattigan Mancini kannte und sie gelegentlich besuchte. Und dabei ist sie irgendwie an seine Kreditkarte gekommen.«
» Genau. Drittens: Brian Penry. Aber vergessen Sie nicht: Das ist alles nur Spekulation.«
» Weiter.«
» Okay, was mich bei diesem Fall zum Wahnsinn treibt, ist, dass er mehr Geld unterschlagen hat, als die Knabenschule überhaupt vermisst. Ich konnte einfach keinen Hinweis darauf finden, wie er seinen ganzen Krempel bezahlt hat.«
» Darum ging es ja auch gar nicht.«
» Nein, das ist mir schon klar. Wir haben genug Beweise, um ihn in einem Dutzend Fällen von Unterschlagung vor Gericht zu bringen, aber ich habe eben einfach nur aus Neugierde weitergeforscht. Das ließ mir keine Ruhe. Außerdem hatte ich Angst, dass ich mich vielleicht verrechnet habe.«
» Haben Sie aber nicht.«
» Nein. Oder doch, weil ich nicht wusste, dass Penry weitere Rennpferdanteile hat, von denen wir keine Kenntnis hatten. Er hat sich einen ziemlich einfallslosen Decknamen zugelegt, das ist alles. Miteigentümer dieser Pferde ist immer Brendan Rattigan oder einer seiner Kumpane. Die logische Folgerung daraus: Rattigan hat einen heruntergekommenen Ex-Cop bestochen. Und zwar für einen ziemlich großen Gefallen, denn die Summen waren beträchtlich.«
» Warum haben Sie mir das nicht schon früher gemeldet?«
» Äh, dafür hatte ich mehrere Gründe. Erstens habe ich mir das erst vor kurzem zusammengereimt. Und zweitens habe ich es gemeldet. Steht alles in meinen Notizen, und ich werde es auch in meinen Bericht für DCI Matthews aufnehmen. Drittens ist es ziemlich schwierig, in einem Verbrechen zu ermitteln, wenn es möglicherweise gar keines ist und wir auch so schon ausreichend Beweise gesammelt haben, um Penry wegen Unterschlagung dranzukriegen. Hätte ich es Ihnen erzählt, dann hätten Sie und DCI Matthews nur gesagt, ich solle die ganze Sache vergessen.«
» Vielleicht. Außerdem können Sie nicht wissen, dass das Geld tatsächlich von Rattigan stammt. Es hätte von jedem kommen können.«
» Hätte schon. Wäre da nicht der unglaubliche Zufall mit den Rennpferdanteilen. Solche Anteile sind ziemlich teuer. Ich hatte noch nicht die Zeit, alles zusammenzurechnen, aber allein Penrys Anteil an den Pferden muss zehntausende Pfund wert sein. Mindestens. Da muss man schon sehr reich sein, um so viel Geld zu verschenken.«
» Aber Rattigan ist tot – daher können Sie ihn von der Liste der Verdächtigen streichen.«
» Vermutlich tot. Ich habe beim AAIB nachgefragt, ob an dem Flugzeugunfall etwas Ungewöhnliches war.«
» Sie waren sehr fleißig.«
» Die Antwort lautete Nein, eigentlich nicht, aber vielleicht schon, ein bisschen.«
Jackson überlegt einen
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