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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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bedeckte honigfarbenes Fichtenholz. Die Fensterläden waren in einem kühlen Hellgrün gestrichen – Tegernseer Grün hatte der Interior-Designer den Ton genannt –, der geschnitzte Balkon verschwand fast unter roten Geranien. Unter dem Giebel hingen drei Hirschgeweihe. Auf dem mit traditionellen Lärchenschindeln gedeckten Dach prangte ein geschnitztes Türmchen – die Feuerglocke. Es fehlten weder die Stalllaterne neben der Haustür noch die Hausbank. Sogar ein alter Leiterwagen stand wie zufällig auf dem kurz geschorenen Rasen vor der Terrasse. Ein gepflegter Kiesweg führte vom Haus zum See hinunter.
    »Schau nur, die vielen Blumen«, sagte Marie. Den Bauerngarten hatte sie nicht angetastet. Nicht nur, weil sie von Pflanzen nichts verstand, sondern vor allem, weil ihr der Garten mit seinen Farben und Gerüchen perfekt schien. Die Strauchrosen vor der Terrasse sahen aus wie rosa Schaum. Aber am schönsten war das Staudenbeet. Ein Meer aus blauem Rittersporn und zartfarbenem Fingerhut neigte sich unter den Windböen.
    Nur Rolands schwarzer 911er Porsche, der neben dem Haus parkte, störte das nostalgische Bild. Marie selbst hatte ihr Cabrio extra in die Holzhütte gefahren, die jetzt als Garage diente. Sie schob ihren schmalen Arm unter Rolands Ellenbogen. Der dünne Anzugstoff fühlte sich glatt und kühl an. »Nicht mal den Garten haben wir anlegen müssen. Wenn man bedenkt, was ein Landschaftsarchitekt kostet …«
    »Das kommt schon noch«, knurrte Roland. »Ich hoffe, du weißt, was du dir da aufgehalst hast.« Wahrscheinlich wollte er gleich ein für alle Mal klarstellen, dass er nicht gedachte, sich an der Pflege von Haus und Garten zu beteiligen. »So eine verdammte Schnapsidee. Hast du überhaupt eine Vorstellung, was mich der alte Kasten unterm Strich kosten wird?«
    »Du warst doch mit dem Preis einverstanden …«
    Das Haus war eine Bruchbude gewesen. Die alte Frau, die bis zu ihrem Tod darin gewohnt hatte, schien der Zustand nicht gestört zu haben. Oder ihr hatte schlicht das Geld für die nötigen Wartungsarbeiten gefehlt. Nur wegen seiner spektakulären Lage hatte die Erbengemeinschaft für das baufällige Gebäude einen halbwegs akzeptablen Preis erzielt. Im Grunde hatte Roland einen Baugrund am See gekauft. Und das wusste er auch. Das Bauernhaus war praktisch die Zugabe.
    »Wir hätten die Bude niederreißen und im Stil neu bauen sollen.« Er schüttelte den Kopf, als könnte er es immer noch nicht fassen, dass er sich von Marie zu dieser Dummheit hatte hinreißen lassen.
    »Also, ich finde, so ein altes Haus hat Charme.« Wozu hatte sie sich eigentlich wochenlang mit Architekten, Interior-Designern und schwerfälligen örtlichen Handwerkern herumgeschlagen? »Das kann man doch gar nicht vergleichen.«
    »Kein Mensch hätte den Unterschied gemerkt.« Er schob die Hände in die Hosentaschen. »Haben wir überhaupt schon irgendwelche Rechnungen vom Umbau?«
    Marie schwieg.
    »Nein, natürlich nicht. Ist ja auch nicht dein Geld«, meinte Roland. Er gab ein freudloses Lachen von sich. »Na ja, wenigstens ist es ein Seegrundstück. Das lässt sich immer wieder verwerten.«
    Marie zog scharf Luft ein. »Wer wollte denn aufs Land? Ich etwa?«
    Den ständigen Vorwurf, sie verschwende sein Geld, wollte sie dieses eine Mal nicht auf sich sitzen lassen. Sie wäre auch mit einer kleinen Stadtwohnung in London oder Paris als Zweitwohnsitz zufrieden gewesen. Aber wenn sich österreichische Immobilienfonds in St.   Gilgen besser verkauften, dann sollte es ihr auch recht sein. Der Wurm muss dem Fisch schmecken, sagte Roland immer, nicht dem Angler. Und ein repräsentativer Landsitz brauchte nun mal eine gewisse Größe.
    »Dann veranstalte doch ab jetzt deine ganzen Geschäftsessen hier«, sagte sie. »Sparst du eine Menge Geld.«
    Roland brummte nur etwas Unverständliches.
    »Und wenn vielleicht doch mal unsere Kinder –«
    »Ich dachte, zumindest das Kinderthema hätten wir ausdiskutiert.« Sein Ton war schneidend. »Lächerlich, in deinem Alter.«
    In diesem Moment klingelte Rolands Handy. Sofort griff er in die Anzugtasche, zog den Apparat heraus und warf einen Blick auf das Display. Er runzelte die Stirn.
    Marie versuchte, in seinem Gesicht zu lesen. In letzter Zeit läutete sein Handy zu jeder Tageszeit. Dann verließ Roland jedes Mal das Zimmer, um wenige Minuten später besser gelaunt zurückzukehren. Und immer hatte er gleich darauf einen Geschäftstermin.
    »Was ist?«, fragte sie.
    Roland

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