Totenkuss: Thriller
okay?«
Nathan und Jorinde ließen alles fallen und rannten in den
Garten, zu dem gigantischen Nussbaum, unter dem die Schaukel hing. Jorinde
gewann, indem sie Nathan in letzter Sekunde zu Fall brachte, und riss sich das
Brett unter den Hintern. Nathan kam brüllend wieder hoch und boxte und trat auf
sie ein.
Barbara zerrte Fehrle außer Rufweite. »Heute hat mich eine
alte Frau verfolgt in einem türkisfarbenen Opel. Angesprochen hat sie mich dann
auf dem Krankenhausparkplatz. Sie heißt Irmtraud Haselbacher und wohnt im
Stuttgarter Süden. Sie wollte, dass ich dir ausrichte, ihr Nachbar verhalte
sich komisch. Ein Ludger Sachs, Grundschullehrer. Hast du den Namen schon mal
gehört?«
Fehrle schnaufte. »Bist du närrisch? Was ist das denn für ein
Scheiß? Will die den denunzieren oder was, und wie kommt die ausgerechnet auf
mich?«
»Sie sagt, weil du für die Altfälle zuständig bist. Und weil
das doch in der Zeitung stand. Der große Artikel über dich, damals vor zwei
Jahren. Als der Fall Petra Clauss aufgerollt wurde.«
»Ja, und?«
»Sie will nicht mit irgendeinem Beamten reden. Sie hat kein
Vertrauen zur Polizei.«
»Und wieso belästigt sie dich?« Fehrle wurde das alles
langsam zu bunt.
»Ganz einfach. Sie war gestern auf dem Polizeipräsidium und
du warst nicht da. Dann hat sie im Netz gesucht und die Bischofsweilemer Nummer
gefunden. Nathan hat ihr die Adresse verraten. Heute Vormittag kam sie, und
weil ich eben wegfuhr, ist sie mir halt hinterher.«
Fehrle stierte in die Botanik und brummte. »Es gibt immer
mehr Verrückte.«
Barbara zuckte die Schultern. »Sie machte einen ganz
vernünftigen Eindruck. Sie hat gesagt, sie glaube, dass ein unheimlicher
fremder Mann auf dem Grundstück des Nachbarn gewesen sei. Und zwar der gleiche,
der vor fast 20 Jahren ihre Enkelin im Planschbecken fast ersäuft hätte. Die
Polizei habe damals voreilig die Ermittlungen eingestellt.«
»Wie kommt sie darauf?« Fehrle bemühte sich, freundlich zu
klingen. Er blickte auf die Uhr. Gleich halb zwei. Wenn sie jetzt nicht bald
wegkamen, wurde es definitiv zu spät. Dabei wusste er immer noch nicht genau,
wo er eigentlich mit den Kindern hinwollte. Auf keinen Fall nach Italien. Da
war er tausendmal gewesen, davon hatte er genug. Und hatte er überhaupt an
alles gedacht? Er musste noch die Fenster kontrollieren, die Balkontür, den
Herd und den Kühlschrank.
»Beim Nachbarn habe am Wochenende einiges nicht gestimmt,
sagte Frau Haselbacher, und sie sei am Montagmorgen nachsehen gegangen. Auf dem
oberen Boden des Geräteschuppens habe es nach einer penetranten Rasiercreme
gerochen. Der gleiche Gestank wie damals am Planschbecken. Sie habe das
vergessen gehabt, aber jetzt habe sie sich daran erinnert. Wie ein Bild habe
die Szene vor ihrem geistigen Auge gestanden. Der Garten, das Planschbecken mit
dem Kind, das man habe retten können. Der Fremde sei aber verschwunden, wie er
gekommen sei. Niemand habe ihn gesehen.«
Fehrle seufzte. So etwas kam vor. Eine traumatisierte Zeugin,
die ihn stalkte. Es wurde Zeit, dass er fortkam.
»Jetzt horch«, sagte Barbara. »Es ist so, Frau Haselbacher
hat in der Zeitung von Hahnkes Ausbruch gelesen. Sie meint, sie könne bei der
Fahndung helfen. Ihr früherer Nachbar, der Vater von Ludger, ein gewisser Dr.
Sachs, sei befreundet gewesen mit einem Kollegen, einem Dr. Hahnke aus
Schömberg.« Jetzt war es heraus. Barbara sah ihn an. »Da sei auch Olaf ab und
an bei der Familie Sachs aufgekreuzt. Und er habe bei dem Unfall mit dem
kleinen Kind, wie ihr jetzt erst klargeworden sei, die Hand im Spiel gehabt.
Sie meinte, dem alten Sachs, der das ertrunkene Mädchen damals reanimiert hat,
fiel möglicherweise was in dieser Richtung auf. Ein Fremdverschulden.
Möglicherweise hat er sich sein Schweigen erkauft. Er hat als Arzt so bald wie
möglich den Hut genommen und sich nach Mallorca abgesetzt, keine drei Jahre
nach dem Unfall.«
»Jetzt mach mal halblang«, sagte Fehrle. »Willst du etwa
behaupten, Hahnke habe vor knapp 20 Jahren die Nachbarstochter ertränken
wollen, als er mit seinem Vater zu Besuch bei diesem Dr. Sachs war? Und nun sei
er bei dessen Sohn untergeschlüpft?«
»Genau. Möglich, dass der Sachs den Hahnke bei sich zu Hause
versteckt. Möglich aber auch, dass er ihn abblitzen ließ oder irgendwo
hingebracht hat. In der Toskana besitzt Sachs ein abgeschieden gelegenes
Ferienhaus. Das soll angeblich derzeit nicht
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