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Totenkuss: Thriller

Totenkuss: Thriller

Titel: Totenkuss: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta-Maria Heim
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Flieger. Das
LKA hatte die italienische Polizei und Interpol um Amtshilfe ersucht, das
Ferienhaus von Ludger Sachs würde mit einer Spezialeinheit gestürmt werden.
    Das waren Maßnahmen, die vorsorglich eingeleitet werden
mussten, im Falle, dass die Aussage von Irmtraud Haselbacher zutreffend war.
Dass die Kollegen die Zeugin sehr ernst nahmen, zeigten die Sorgfalt und die
Schnelligkeit der eingeleiteten Ermittlungen. Gewissheit brachte erst die
DNA-Analyse des Pullovers und der Abgleich mit Hahnkes Erbgut. Ein klares Ergebnis
war frühestens am Pfingstsonntag zu erwarten. Sämtliche Zuständigkeiten lagen
beim Landeskriminalamt. Das Polizeipräsidium leistete nur unterstützende
Arbeit. Nachdem er seine Angaben gemacht und den Bericht abgesendet hatte, war
Fehrle wieder nach Hause geschickt worden, um seinen Urlaub fortzusetzen. Er
hatte die Schachtel aus seinem Büro mitgenommen.
    Als er heimkam, war es halb acht. Die Kinder waren daheim bei
Barbara, und dort übernachteten sie auch. Am Samstagmorgen wollte Fehrle sie
holen, um dann gemeinsam mit ihnen an den Bodensee zu fahren. Er wachte gegen
fünf Uhr auf, genehmigte sich ganz gegen seine Gewohnheit einen doppelten
Espresso und las diese Botschaft, die Olaf Hahnke verfasst hatte, als er 12
Jahre alt gewesen war. Im frühen Morgenlicht studierte Fehrle die ordentlichen
Tintenbuchstaben.
    Martin Clauss war etwa sieben Jahre jünger als Petra, er war
damals knapp sechs Jahre alt gewesen. Hatte er die Schreibschrift schon lesen
können? Oder hatte ihm seine ein Jahr ältere Schwester geholfen, Hannah? Fehrle
fiel ein, sie waren zusammen eingeschult worden und Martin ging bereits in die
erste Klasse. Ein scharfes Messer konnte er bestimmt organisieren. Aber ob er
stark, geschickt und skrupellos genug war, von einer Schafherde ein Lamm zu stehlen
und an den verabredeten Ort zu bringen? Fehrle kannte die Hütte und die
Schafweide nicht; er nahm an, sie war irgendwo im Niemandsland zwischen
Schramberg und Sulgen, wo am Steilhang damals wenige karge Höfe gestanden
hatten. Die Bande, die Olaf angeführt hatte, trieb sich vor allem im
Staighäusle, im Löchle und auf der Halde herum. Bis auf die Heuwies, hinter dem
anderen Ende vom Sulgen, wo Fehrle daheim war, waren die Buben nie gekommen.
    Martin war ungefähr so weit gewesen wie jetzt Jorinde. Sie war
zwar schon acht, ging aber auch in die erste Klasse. Kürzlich hatte sie
zusammen mit Nathan eine frisch überfahrene Katze, deren Gedärm herausquoll,
auf eine Schneeschippe geladen, um sie auf dem Küchentisch zu operieren. Es war
eine äußerst unappetitliche, langwierige und zum Scheitern verurteilte Aktion
gewesen, die nach Fehrles entsetztem Eingreifen mit einem astreinen Begräbnis
endete. Fehrle hatte gelernt, dass ganz normale, also völlig durchschnittliche
und verhaltensunauffällige Kinder zu Dingen in der Lage waren, die einen
Erwachsenen schockierten. Ein Kind musste keine Kriege mitgemacht haben oder
sonst wie traumatisiert sein, um mit dem Tod zu spielen.
    Fehrles Eltern hatten den Faschismus nicht mehr erlebt, die
Großeltern hatten, was das anging, dazugelernt, aber das war in seiner Kindheit
eher die Ausnahme gewesen. In vielen Hausgängen stank es noch nach den Mänteln
aus der Nazizeit, die Prügelstrafe galt bis in die siebziger Jahre hinein als
erzieherisches Allheilmittel. Kleine Buben wurden von ihren Vätern und
Großvätern angehalten zu raufen, zu saufen und zu schießen. Die kleinen Buben
gaben das weiter an noch kleinere. Falls also Hahnkes Mutprobe darin bestand,
dass ein Erstklässler auf ein Lamm einstechen musste, war das durchaus im
Bereich dessen, was vorpubertäre Rüpel sich einfallen ließen. Fehrle war
Vegetarier und mochte sich nicht ausmalen, wie es bei der Metzgerei zugegangen
war, aber seines Erachtens war Olaf Hahnkes Vorgehen als Zwölfjähriger noch
kein Indiz dafür, dass aus ihm ein Serienmörder wurde. Wahrscheinlicher als ein
Blutbad war sowieso Martins Niederlage: Er hatte kein Lamm beibringen können,
weil der Hund des Schäfers ihn beinahe gebissen hatte. Oder er traute sich
einfach nicht. Dann konnte Ritter Olaf triumphieren, weil er wieder ein
winselndes Kind in seiner Macht hatte, das er gnädig mitmachen ließ. Er war
insgeheim der King, während die Bande des Königs beständig wuchs.
    Ich könnte Martin Clauss anrufen und ihn fragen, dachte
Fehrle. Er lebt in München als renommierter junger Anwalt, was nicht

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