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Totenkuss: Thriller

Totenkuss: Thriller

Titel: Totenkuss: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta-Maria Heim
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verglasten Dachgarten mit einem unverbaubaren Blick über die
Schwarzwaldhänge. Aber die Sonne schien nicht. Das Wetter war bewölkt und
wechselhaft, die Temperatur sank und es windete. Ein Tief bahnte sich an. Die
simpelhafte Sommerwärme hatte alle verfrüht zum Narren gehalten. Pankrazi,
Servazi und Bonifazi sind drei frostige Bazi. Und zum Schluss fehlt nie die
Kalte Sophie. Vermutlich kamen nun die Eisheiligen und schneiten sämtliche
Blüten vom Stengel. Pflanze nie vor der Kalten Sophie! Bei Minusgraden
krepierten die Kirschen, die Bienen, die Äpfel. Knöchelhoch lag Schnee, die
Kinder sauten auf dem Schlitten das Staighäusle hinunter. Und Kafka, der die
nasskalte Witterung hasste, schlupfte verschnupft hinter den Kachelofen.
    An der Wand hing eine Uhr. Es ging gegen neun. Rosa sah
sich um. Das Krankenhaus-Café war um diese Zeit fast leer. In einer Ecke saß
ein Mann mit einem Gipsfuß und las Zeitung. An einem großen Tisch spielten
Halbwüchsige Mensch-ärgere-dich-nicht. Und vor dem Erkerfenster, das bis zum
Boden ging, hockte ein dunkelhaariges Mädchen in einem viel zu dünnen
Sommerkleid und hackte in einen Laptop. Sie war rundlich, hübsch und machte
einen sanftmütigen Eindruck. Rosa ging entschlossen auf sie zu: »Hast du
Welan?«
    »Was?«, fragte das Mädchen und zog sich einen iPod-Stöpsel
aus dem Ohr. »Ich heiße nicht Wera, ich bin die Julia.«
    »Hat’s Welan?«, wiederholte Rosa und zeigte auf den tragbaren
Rechner.
    »Ha, Celan?« Julia runzelte die Stirn. »Woher wissen Sie,
dass ich über ein Gedicht von Paul Celan mein Referat schreibe?«
    »›Es ist Zeit, dass es Zeit wird. Es ist Zeit‹«, schmetterte
Rosa, die ihr über die Schulter sah. »›Corona‹. Großartig. Celans bestes
Gedicht, da hatte die strunzverliebte Bachmann recht, wobei sie sich selbst
übertraf, als sie konterte: ›Es kommen härtere Tage.‹ Es kommen härtere Tage,
Mensch, weshalb mir die weinerliche Bachmann immer lieber war als dieser
windelweiche Spinner. Aber ich kann letztlich nicht beurteilen, wer von beiden
recht hatte. Ich weiß nicht, ob alles immer schlimmer wurde oder ob nach 45 die
Zeit stehen blieb. Weil ich mich mit der Literatur nach 1913 seit 1945 nicht
mehr beschäftige. Schon gar nicht mit Gedichten. Da halte ich’s mit Adorno und
habe die Sperrfrist noch ein bisschen vordatiert.«
    Julia glotzte blöde. Irgendwas an ihrem Blick irritierte
Rosa. Diese haselnussbraunen Augen. Mit dem giftgrünen, katzenhaften Rand.
Genau gleich wie ihre eigenen. Und die vom roten Karle.
    »Nach Auschwitz kann man keine Lyrik mehr schreiben«, erklärte
Rosa prosaisch. »Und auch keine, die danach geschrieben wurde, lesen.
Unmöglich. Und so was verjährt nicht, wie manches andere auch, deshalb würde
ich mir gern deine Kiste leihen.« Sie zeigte auf den Laptop. »Ist der denn
jetzt mit Welan?«
    Julia schlug sich an den Kopf. »Ach so, WLAN meinen Sie. Sie
wollen ins Internet? Könnte gehen. Aber kennen Sie sich denn überhaupt damit
aus?«
    »Na ja«, sagte Rosa. »Googeln kann wohl jeder. Und für meine
Zwecke reicht’s.«
    Das Mädchen machte eine Weile schweigend am Laptop herum.
Ihre Plastikfingernägel waren quadratisch. Sie zeigten ein feines schwarzes
Spinnenmuster auf blutrotem Grund.
    »Und?«, fragte Rosa erwartungsvoll.
    »Läuft. Wenn Sie mir
versprechen, dass Sie nichts kaputtmachen oder verstellen, kann ich Ihnen die
Kiste eine halbe Stunde überlassen. Ich wollte eh mal nach meiner Mutter
schauen und mir vielleicht was Wärmeres anziehen.« Julia grinste und gab Rosa
die Hand. Sie war fleischig und warm. »Nicht, dass ich misstrauisch wär’, aber
ich wüsste schon gern, wie Sie heißen und auf welchem Zimmer Sie sind.«
    »Rosa Fix«, sagte Rosa. »Zweiter Stock, Zimmer drei. Das
hintere Bett am Fenster.«
    »Das ist ja ein lustiger Zufall.« Julia grinste. »Sie heißen
genauso wie meine einzige Großtante. Die Schwester von meinem Opa. Aber Fix
heißen viele, und Tante Rosa kenn ich gar nicht. Wir haben keinen Kontakt. Sie
soll nämlich total durchgeknallt und eine ziemliche Hexe sein.«
    »Ich bin deine Großtante«, meinte Rosa, setzte sich und nahm
Julias Hand. »Wir können einander Du sagen. Wie geht es deiner Mutter denn? Ich
habe Claudi zuletzt gesehen, da stand sie beim roten Karle in der Werkstatt und
ölte die Maschinen. Da war sie vielleicht ein paar Jahre älter als du, so
Anfang 20. Ein bildschönes Mensch, groß, stolz,

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