Totenmal
Wasserleiche.
»Herr Höger, geben Sie uns doch
mal einen Tipp, wie man die Viecher am besten da runterbekommt«, sagte
Kommissar Malbek. Sie standen neben einem Bootssteg, auf der Nordseite des
Kanals, dort, wo die Schirnau in den Kanal mündete. Im Westen stelzte die
Kanalhochbrücke über die Rader Kanalinsel.
Die Leiche lag im Reetsaum und schaukelte
mit den Wollhandkrabben sanft auf den Wellen, die von den Schiffen an das Ufer
geschickt wurden. Der Nebel hatte sich so weit gelichtet, dass man bis zur
Kanalmitte sehen konnte.
»Die fressen uns noch die Spuren weg«,
sagte Kommissar Vehrs und trat ungeduldig von einem Bein aufs andere.
»Anfassen und weit wegwerfen. Das ist
alles«, bemerkte Höger.
»Und wo fasst man die an?«, fragte Vehrs
und sah angeekelt auf die Leiche.
»Also mit einfachen Handschuhen geht das
nicht, da beiÃen die mit ihren Scheren durch. So Dicke brauchen Sie, wie ich
sie hab, hier. Aber gucken Sie nicht so gierig, meine gebe ich nicht weg, die
brauch ich heute noch.« Höger lächelte spitzbübisch.
»Gibt es einen speziellen Griff, damit die
mit den Scheren nicht �«, fragte Kommissar Harder.
»Ja natürlich, hier â¦Â« Höger bückte
sich in sein Boot, das am Ufer lag, und holte eine Wollhandkrabbe aus einer
Kunststoffkiste. »â¦Â von der Seite, den Körper zwischen Daumen und Finger
festhalten, die Zangen kriegen Sie nicht nach hinten, das muss man
wissen â¦Â« Höger hielt inne und sah den Fotografen ärgerlich an, der eine
Nahaufnahme von den Wollhandkrabben auf der Leiche machte.
»Muss der so viele Fotos haben?«, fragte
Höger und sah hilfesuchend zu Malbek. Er bedeutete Vehrs und Harder, mit dem
Entfernen der Krabben zu beginnen. Die holten sich jemand von der herumstehenden
Schutzpolizei und der Spurensicherung und gaben den Crashkurs Högers im
»Wollhandkrabbenfangen« weiter. Jemand wurde ins Dorf geschickt, um dicke
Handschuhe zu besorgen.
»Keine Angst, Herr Höger«, sagte Malbek.
»Das ist der Polizeifotograf.«
»Ich mein ja bloÃ. So ân Foto in der
Zeitung kann mir das Geschäft ruinieren.«
»Diese Fotos kommen nicht in die Zeitung,
sondern in unsere Ermittlungsakten. Das ist einer von uns, verstehen Sie? Von
unserer Spurensicherung. Nicht von der Zeitung. Sie können also ganz beruhigt
sein. Verkaufen sich die Viecher tatsächlich so gut?«, fragte Malbek.
Höger holte tief Luft. »Früher war ich ja
mit den Reusen nur auf Aal gegangen, aber dann hatten die Wollhandkrabben vom
Kanal Besitz ergriffen, da hab ich meine Reusen technisch aufgerüstet mit
schnittfestem Kunststoffnetz, um sie gegen die Scheren resistent zu machen.
Dann Kontakte zu Restaurants und den Kieler Chinesen aufgenommen, jetzt liefere
ich pro Tag zweihundert bis vierhundert. Langsam hatte sich das dann über die
chinesische Gemeinde Kiel bundesweit herumgesprochen, bei Wollhandkrabben-Höger
aus Kiel-Holtenau, ausgezeichnete Qualität. Der groÃe Rest, den schick ich in
die ganze BRD .
Das wird bei uns in der Garage in Styropor verpackt und mit Express versendet.«
Malbek hatte Höger unterschätzt. Das war
wie fürs Fernsehen.
»Wann waren Sie das letzte Mal hier, um
nach Ihren Reusen zu sehen?«
Höger zog die Stirn in Falten. Sein Blick
folgte einem mächtigen Schiffsbug, den die Nebelbänke über der Wasseroberfläche
freigaben. Der Nebelvorhang darüber riss auf und gab den Blick auf das
Containergebirge frei, das majestätisch vorbeiglitt. Als die Kommandobrücke
auftauchte, sagte Höger bedächtig: »Nee, da war noch nichts da, da bin ich mir
sicher.«
»Ja, aber wann, wann genau war das denn?«
Malbek forschte im wettergegerbten Gesicht des Fischers, als ob er die Gedanken
erraten könnte. Malbek war sicher, dass Höger eine Schau abzog. Die Sache
machte ihm SpaÃ. Also sagte er die Wahrheit. Vielleicht. Auf jeden Fall spielte
er ein Spiel.
»Ja, nee. Nee, ja. So wie immer
eben â¦Â« Höger zuckte mit den Schultern und sah Malbek bemüht an. »Gestern.
So wie heute.«
»Also Sie meinen, zur gleichen Uhrzeit?«
»Jaa.« Er sah wieder zum Kanal. Noch immer
Container. Der nächste Frachter.
»Und wann war das genau?«
»Ich hab nicht auf die Uhr geguckt.«
Malbek atmete tief durch.
»Nu hab ich Ihnen aber einen Schreck
eingejagt, nicht?«
Weitere Kostenlose Bücher