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Totenmond

Totenmond

Titel: Totenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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blähte die Backen und steckte das Handy ein. Ein Streifenpolizist heftete ihr ein Sende-Empfänger-Modul an den Gürtel und gab ihr das Headset. Ein anderer reichte ihr eine Schutzweste. Sie schlüpfte hinein und zurrte die Klettverschlüsse fest. Sie zog ihre Dienstwaffe aus dem Gürtelholster, lud eine Patrone in die Schusskammer und steckte die Pistole zurück. Sie steckte sich den Kopfhörerknopf ins Ohr und pappte sich das Kehlkopfmikro unter ihren Rollkragen. Dann zog sie ihre Daunenjacke über.
    Der SEK-Leiter sagte zu Alex: »Die Situation hat sich zwar verändert, aber wir halten am bisherigen Plan fest. Das bedeutet: Keine Alleingänge, klar?«
    Alex schüttelte den Kopf.
    »Unter gar keinen Umständen. Das ist unser Job.«
    Alex nickte und zog die Daunenjacke mit dem Reißverschluss zu.
    »Schönen Gruß dann an den Geiselnehmer«, sagte Schneider. Er hob die Hand zum Abschied. Alex atmete noch einmal tief ein und aus wie eine Schwimmerin, bevor sie ins Becken springt. Dann machte sie sich auf den Weg.

3.
    D er kalte Wind schlug Alex entgegen. Wie Krümel aus Styropor tanzten kleine Schneeflocken vom grauen Himmel und ließen sich auf ihrem Haar nieder. In den kahlen Bäumen des Kemper-Parks vor der Bücherei hingen die bereits eingeschalteten Glühbirnen der städtischen Weihnachtsbeleuchtung. Von der nahen Fußgängerzone her strahlten die Lichter des Weihnachtsmarkts herüber.
    Vereinzelt flackerte das Blaulicht von Streifenwagen auf. Sie standen an Kreuzungen und auf Straßen, um den Bereich rund um das Gymnasium abzusperren. Auf dem Parkplatz der Bücherei hielten sich Rettungswagen in Bereitschaft. Dazwischen parkten zivile Polizeifahrzeuge mit NRW-Kennzeichen. Kollegen in gelben Signalwesten mit der Aufschrift »Polizei« sahen Alex hinterher.
    Ihre Schritte knirschten im gefrorenen Schneematsch auf der Straße, als sie auf das große Eingangstor der Schule zuging. Alex hob das rot-weiße Plastikband einer Polizeiabsperrung hoch, schlüpfte darunter hindurch und betrat den Schulhof. Links und rechts waren in den schmucklosen Nebengebäuden die Verwaltung sowie die Kunst- und Musikräume untergebracht. Der zentrale, mehrgeschossige Haupttrakt war ein historischer Bau. Er glich mit seinen Säulen und Friesen einem klassizistischen Schloss.
    »Ich betrete das Gebäude«, sagte Alex in das Kehlkopf-Mikrofon und hörte kurz darauf Reinekings Stimme antworten: »Mach einen Deal mit ihm. Wir müssen die Verletzten rausholen, und das SEK muss Zeit gewinnen, um in Stellung zu gehen.«
    Alex nickte und stellte sich vor, wie die Scharfschützen jeden ihrer Schritte durch Ferngläser verfolgten. Sie streckte die Hand aus, fasste nach dem Knauf der Eingangstür und lauschte in die Leere. Da war nur der Wind, der um das Gebäude pfiff. Schließlich betrat sie die Pausenhalle im Hauptgebäude.
    An den Wänden hingen abstrakte Bilder – wahrscheinlich von Schülern des Kunst-Leistungskurses gemalt. Die hohe Decke wurde von zwei Säulen getragen. Am Ende der Halle führte eine geschwungene Treppe nach oben. Ausgestreckt lag auf den untersten Stufen eine Frau in einer Blutpfütze.
    »Weibliche Person unterhalb der Treppe am Boden«, murmelte Alex in das Mikrofon. Ihre Gummisohlen quietschten laut auf dem Linoleum. Sie hockte sich hin, um nach dem Puls der Verletzten zu fühlen. Das junge Mädchen trug eine Pudelmütze mit Lappland-Muster und einen Parka, der an der Schulter zerfetzt und vom Blut durchnässt war. Eine Schusswunde. Vielleicht war sie außerdem die Treppe hinabgestürzt.
    »Sie ist verletzt. Schussverletzung in der rechten Schulter. Eventuell Frakturen durch Treppensturz.«
    »Verstanden«, bestätigte Reineking.
    Alex richtete sich wieder auf. Stufe für Stufe erklomm sie die Treppe und gelangte auf den Flur des ersten Stocks. Auch hier Bilder an den Wänden. Klassenraumtüren, die weit offen standen.
    »Das SEK ist jetzt am Hauptgebäude, Alex«, hörte sie Reineking, während sie die Treppe ins zweite Geschoss hochging. »Eine Gruppe geht wie besprochen unten rein, die andere wird auf dem Dach abgesetzt und seilt sich ab.«
    Alex sagte nichts. Sie erreichte den Flur im zweiten Stock. Links befanden sich wieder offen stehende Klassenraumtüren – und vor einem Getränkeautomaten lagen zwei Personen am Boden.
    »Zwei weitere Verletzte im linken Flügel nahe der Treppe«, sagte Alex.
    Mit drei ausladenden Schritten war sie bei den beiden Frauen. Die ältere wahrscheinlich eine Lehrerin, ihre

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