Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan
wiedererkennbaren Bildern.
Konzentriere dich auf den Augenblick!
Rieche!
Moder. Schmuddeliges Gewebe. Holz. Noch etwas anderes. Ein Reinigungsmittel? Kerosin?
Fühle!
Derbe Fasern an meiner Wange. Körnchen im Mund. Staub in der Nase. Ein Teppich?
Horche!
Wind. Ein Ast, der an Glas schabt. Das Knarzen und Atmen im Inneren eines Hauses.
Mein Puls pochte mir in den Ohren.
Gedämpfte Schritte. Ein hohler Schlag.
Entfernt. Jemand bewegte sich. In einem anderen Zimmer.
Wieder öffnete ich die Augen.
Ich lag auf einem sehr schmutzigen Teppich. Ich sah ein geschnitztes hölzernes Tischbein, dunkelrote Polsterung und den Rand einer fadenscheinigen Decke.
Wiedererkennen! Ich war in Catts’ Wohnzimmer. Die Lampe war jetzt ausgeschaltet.
Eine Tür knallte, dann Stille.
Vor mir ein Sessel. Noch ein Knallen in größerer Entfernung hinter mir. Mein Hirn verarbeitete Informationen mit dem Tempo der Kontinentalverschiebung.
Hatte jemand einen Hintereingang benutzt? In die Küche? In Catts’ Küche.
Ich versuchte, mir den Grundriss des Hauses von meinen früheren Besuchen her in Erinnerung zu rufen. Es gelang mir nicht.
Ich hielt den Atem an, lauschte. Kein einziges Geräusch im Haus. Das Blut in meinem Kopf pochte weiter. Ein Herzschlag. Ein Dutzend. Tausend.
Die Hintertür knallte wieder. Schnelle Schritte näherten sich. Ich schloss die Augen und lag still da. Jeder Muskel brannte.
Ich hörte ein Ächzen, dann Gluckern.
Der Geruch weckte alle meine Sinne. Meine Finger verkrampften sich in den Fesseln.
Benzin!
Als ich die Augen aufriss, erkannte ich zwei Gestalten.
Tawny McGee saß eingehüllt in dem Lehnsessel.
Anique Pomerleau verspritzte Flüssigkeit aus einer großen Dose im Zimmer.
Angst schloss das wenige an klarem Denken kurz, was ich aufbringen konnte. Was sollte ich tun? Mit Pomerleau reden? Mit McGee reden? Mich tot stellen?
Ich schloss die Augen wieder. Lauschte dem flüssigen Geräusch eines schrecklichen Todes.
Sekunden später hörte ich noch einen dumpfen Schlag, sich entfernende Schritte und dann das Knallen der Tür.
Ich öffnete die Augen. An der Fußleiste lag eine leere Kaffeedose.
War Pomerleau mehr Benzin holen gegangen? Wo? Aus einem Schuppen? Wie lange hatte es beim letzten Mal gedauert? Eine Minute? Zwei?
Mein Verstand konzentrierte sich auf einen einzigen Gedanken.
Raus hier.
Stroboskop-Bilder. Anne. Pomerleau. Ein Seil um Tawny McGees Handgelenke.
War McGee gefesselt? Auch an den Füßen? Ich hatte ihr über einen Fuß gestrichen und nichts gespürt. Ein Funken Hoffnung.
»Tawny.«
Schweigen.
»Tawny.«
Eine Bewegung im Sessel?
Ich hob den Kopf. Das Zimmer war ein schattiger Tümpel, die Möbel zackige Umrisse in der Dunkelheit.
»›Q‹ will das Haus anzünden. Wir müssen hier raus.«
Ein tiefer Atemzug?
»Ich weiß, was ›Q‹ dir angetan hat.«
Die Hintertür knallte. Schritte kamen auf uns zu. Ich senkte den Kopf.
Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete ich, wie Pomerleau mit einer neuen Dose hereinkam und Sekretär und Couch bespritzte. Als die Dose leer war, warf sie sie auf den Boden und verschwand, um eine andere zu holen.
»Niemand weiß, dass wir hier sind, Tawny.«
Das Schweigen ließ das Zimmer noch dunkler, tödlicher wirken.
»Niemand kommt, um uns zu retten. Wir müssen uns selber helfen.«
Keine Antwort.
»Wenn ich zu dir rutsche, kannst du mich dann losbinden?«
Schweigen.
»Kannst du gehen?«
Es war, als würde ich mit den Toten reden.
Verzweifelt zerrte ich an meinen Fesseln, drehte und beugte Hand- und Fußgelenke, bis die Haut sich wund anfühlte. Die Knoten hielten.
Die Hintertür knallte wieder.
Ich erschlaffte, schloss die Augen.
Pomerleau kam mit neuem Brandbeschleuniger zurück.
O Gott. Wo war Anne? Sie war nicht in diesem Zimmer. Konnte ich Anne und McGee aus dem Haus schaffen? Würden wir sterben, bevor die Feuerwehr eingreifen konnte?
Sollte ich mit Pomerleau reden? Konnte ich Argumente formulieren, einem Gedanken Ausdruck geben, der uns Zeit verschaffen würde?
Hatte es irgendeine Bedeutung? Das Haus war durchsucht und als leer eingestuft worden. Ich hatte Ryan nicht gesagt, dass ich hierher wollte. Würde Charbonneau meine Nachricht erhalten?
Tränen stiegen mir die Kehle hoch. Alles in mir drängte danach, meine Fesseln zu zerreißen, aufzuspringen und Pomerleau zu packen, diese Perversion eines menschlichen Wesens zu überwältigen.
Ich lag still da und wartete.
Der Geruch nach Benzin war jetzt sehr
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