Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan
dieses Spiels«, sagte ich. »Er hielt Stan in einem Sarg unter seinem Bett gefangen und holte sie für gewöhnlich nur heraus, um sie zu misshandeln. Hin und wieder gestattete er ihr Zeiten der Freiheit. Manchmal durfte sie joggen, im Garten arbeiten, in die Kirche gehen. Einmal fuhr Hooker sie sogar nach Riverside, damit sie ihre Familie besuchen konnte.«
»Warum hat sie sich da nicht einfach aus dem Staub gemacht?« Charbonneau fuhr sich mit der Hand durch die Haare, so dass der Schopf in die Höhe stand.
»Hooker hatte Stan darüber hinaus eingeredet, er besitze sie.«
»Besitze sie?«
»Er zeigte ihr einen gefälschten Vertrag und sagte ihr, er habe sie als Sklavin von einer Firma namens The Company gekauft. Er sagte ihr, sie stehe unter ständiger Überwachung, und dass die Company, falls sie zu fliehen versuche, sie aufspüren und töten werde, und dazu auch noch ihre Familie.«
» Cibole! « Charbonneau warf die Hände in die Höhe. »Hooker traumatisiert Stan, sie fühlt sich völlig isoliert, muss sich bei dem geringsten Bedürfnis an ihn wenden, und sie solidarisiert sich mit diesem Monster?«
»Genau«, sagte ich. »Eins der wirkungsvollsten Argumente der Verteidigung war ein Liebesbrief, den Stan an Hooker schrieb.«
Charbonneau machte ein entsetztes Gesicht.
»Elizabeth Smart wurde von Verrückten fast ein Jahr lang festgehalten«, sagte ich. »Manchmal konnte sie Leute, die sie suchten, nach ihr rufen hören, erkannte einmal sogar die Stimme ihres Onkels. Sie versuchte nie wirklich zu fliehen.«
»Smart war ein vierzehnjähriges Mädchen«, sagte Charbonneau.
»Erinnert ihr euch noch an Patty Hearst?«, fragte Ryan. »Die Symbionese Liberation Army entführte sie und hielt sie in einem Schrank eingesperrt. Letztendlich raubte sie mit ihren Peinigern eine Bank aus.«
»Das war politisch.« Charbonneau stand auf und ging im Zimmer auf und ab. »Dieser Hooker musste eine Art psychotischer Mutant gewesen sein. Ein normaler Mensch fährt doch nicht durch die Gegend, schnappt sich Mädchen und sperrt sie in Kisten.«
»Das Phänomen ist vielleicht häufiger, als wir wissen«, sagte ich.
Charbonneau blieb stehen. Er und Claudel schauten mich an.
»Im Jahr 2003 bekannte John Jamelske sich schuldig, fünf Frauen als Sexsklavinnen in einem unterirdischen Bunker in seinem Hinterhof gefangen gehalten zu haben.«
»Das war gleich ums Eck«, sagte Claudel nun auch auf Englisch. »In Syracuse, New York.«
»O Mann.« Charbonneau fuhr sich wieder durch die Haare. »Erinnert ihr euch noch an Lake und Ng?«
Leonard Lake und Charles Ng waren zwei pathologische Frauenhasser, die auf einer einsam gelegenen Ranch in Calaveras County, Kalifornien, eine Folterkammer eingerichtet hatten. Zumindest zwei Frauen wurden gefilmt, während sie von dem Paar gefoltert wurden. Das Videoband trug den Titel, M Ladies, wobei M für murdered – ermordet – stand.
»Was ist mit diesen Arschlöchern eigentlich passiert?« Claudels Stimme triefte vor Abscheu.
»Lake wurde wegen Ladendiebstahls verhaftet und brachte sich mit zwei Zyankalikapseln um. Ng wurde in Calgary geschnappt und kämpfte dann ungefähr zehn Jahre lang gegen seine Auslieferung an die Vereinigten Staaten, oder, Doc?«
»Der Rechtsstreit dauerte sechs Jahre, aber schließlich wurde Ng in Kalifornien vor Gericht gestellt. 1998 befand eine Jury ihn für schuldig, drei Frauen, sieben Männer und zwei Babys ermordet zu haben.«
»Das reicht.« Die Kälte war aus Claudels Stimme verschwunden. »Sie glauben, dass Menard seine Perversionen nach Montreal importiert hat?«
»Laut Rose Fisher rief Louise Parent mich an, um mir zu sagen, dass sie Menard zweimal mit jungen Mädchen gesehen habe. Und wir fanden drei vergraben in einem Keller unter einem Laden, den er gemietet hatte.«
»Sie glauben, dass Menard Angie Robinson von Corning, Kalifornien, nach Montreal transferiert hat?«
»Angie oder ihre Leiche.«
»Und dass er Anique Pomerleau verschleppt und sich unterworfen hat?«
»Ja.«
Claudel sprach aus, was ich befürchtete.
»Und dass er, falls er sich bedroht fühlt, Pomerleau töten könnte?«
»Ja.«
Claudel kniff die Augen zusammen. Er schaute seinen Partner an und erhob sich dann.
»Ein Richter sollte das als hinreichenden Tatverdacht betrachten.«
»Sie besorgen sich einen Durchsuchungsbefehl?«
»Gleich morgen früh.«
»Ich will mitkommen nach Pointe St. Charles.«
»Kommt gar nicht in Frage.«
»Warum nicht?«
»Wenn das alles
Weitere Kostenlose Bücher