Totennacht (German Edition)
wem die Schreie kamen.
Es war James.
Zitternd vor Angst, drehte sie den Türknauf. Die Tür war unverschlossen, Gott sei Dank. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, verschaffte sie sich Einlass und rief nach James.
Die Glock in beide Fäuste geklemmt, stürmte sie weiter.
Nick trat mit dem linken Fuß das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Das rechte Bein zitterte vor Erregung. Er holte auf.
Aber auch der Lastwagen legte an Tempo zu. Selbst aus der Ferne war der ächzende Motor zu hören. Wie Nick versuchte auch Ken Olmstead alles aus seiner Maschine herauszuholen.
Der Laster passierte ein Straßenschild, an dem Ken dreißig Sekunden später vorbeisauste – ein rot-blaues Verkehrszeichen, das auf die nahe Interstate hinwies. Nick schätzte, dass sie sie in etwa zwei Meilen erreicht hätten. Vielleicht eher.
Der Abstand schrumpfte. Nick war jetzt nur noch rund vierhundert Meter von dem Laster entfernt. Trotzdem fürchtete er, dass er es nicht schaffen würde, ihn vor der Interstate abzufangen, wo starker Verkehr herrschte und ein Bremsmanöver zu gefährlich wäre. Wenn er ihn aufhalten wollte, musste es in der nächsten Minute geschehen.
Nick versuchte, Ken mit blinkendem Fernlicht zum Halten zu bewegen. Als das nichts brachte, drückte er auf die Hupe. Er holte auf. «Bleib stehen, Arschloch!», zischte er durch seine zusammengebissenen Zähne. «Warum bleibst du nicht stehen?»
Er konnte sich denken, warum. Die Interstate war nicht mehr fern. Nick sah schon die Abzweigung zur Auffahrt.
Am unteren Rand der Zugmaschine leuchtete plötzlich ein gelbes Licht auf. Der Blinker. Ken näherte sich der Auffahrt.
Das Steuer fest im Griff, stemmte Nick den Fuß aufs Gaspedal, so heftig, dass er vom Sitz abhob. Der Motor heulte wie unter Protest. Nick scherte sich nicht darum und steuerte nach rechts ins Schotterbett. Der Wagen bebte, als er von der Straße abkam und Wildwuchs durchpflügte – auf gleicher Höhe mit dem Laster.
Wieder drückte Nick auf die Hupe. Die orangeroten Flammen waren in greifbarer Nähe und wichen nach hinten zurück, weil Nick schneller war.
Er zog in der Auffahrt vorbei und setzte sich gefährlich nahe vor die Stoßstange des Lasters. Vor ihm begradigte sich die Auffahrt, ehe sie in die Interstate einmündete. Hier musste er den Laster zum Stehen bringen.
Nick trat auf die Bremse. Quietschend rutschten die blockierenden Reifen über den Asphalt. Nick spürte, wie er vom Gurt im Sitz zurückgehalten wurde, als sein Wagen ins Schleudern geriet.
Er kam mitten auf der Rampe zum Stehen, quer zur Fahrtrichtung. Stark abgebremst näherte sich schlingernd der Lastwagen von links.
Nick warf sich auf den Beifahrersitz und stieß dabei mit dem rechten Knie vor den Schaltknüppel. Der Schmerz zwang ihn zum Stillhalten, was er sich aber nicht gestatten konnte. Mit kreischenden Bremsen rückte der Lastwagen immer näher. Nick langte nach dem Türgriff.
Die Tür flog auf. Er sprang kopfüber nach draußen und hoffte, sich schnell genug wegwälzen zu können.
Doch der gefürchtete Aufprall blieb aus. Auf dem Boden liegend, blickte er auf. Sein Wagen war unbeschädigt. Als er sich aufrichtete, sah er, dass der Lastwagen unmittelbar davor zum Stehen gekommen war.
Allerdings schien Ken Olmstead darüber nicht wirklich erleichtert. Er sprang aus der Fahrerkabine, marschierte auf Nick zu und brüllte: «Was fällt Ihnen ein? Es hätte nicht viel gefehlt, und Sie wären jetzt Brei. Ganz zu schweigen von meinem Schaden.»
Nick raffte sich auf. Der Stock lag noch im Wagen, aber er schaffte es auch ohne ihn. Das Gewicht auf sein gesundes Bein verlagert, blickte er Ken Olmstead in die Augen.
«Mein Name ist Nick Donnelly.»
Ken zuckte nicht mit der Wimper. «Und?»
«Ich wurde beauftragt, Charlie zu finden», sagte Nick. «Und das ist mir gelungen.»
34
Kat fand sich in einer kleinen Eingangsdiele wieder, von der eine Treppe hinauf ins Obergeschoss führte. Auf der rechten Seite ging es zu einem abgedunkelten Esszimmer ab. Links schimmerte aus einem Wohnzimmer rötliches Licht. Diesem wandte sich Kat zu, als ein weiterer Schrei durchs Haus gellte.
Mit erhobener Waffe betrat sie den Raum. Er wirkte erstaunlich aufgeräumt im Vergleich zum äußeren Erscheinungsbild des Hauses und war im asiatischen Stil eingerichtet. Ein Paravent aus Bambus schirmte eine der Ecken ab. Die Wände waren mit Aquarellen geschmückt, die Berge und Pagoden darstellten, und von der Decke hingen Lampions, von denen das
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