Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totennacht (German Edition)

Totennacht (German Edition)

Titel: Totennacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
Vom Netzwerk:
stieg er aus dem Bett, schlich auf Zehenspitzen zur Schlafzimmertür und drehte den Schlüssel, um abzusperren.
    Das Ohr ans Türblatt gepresst, hörte er nun Schritte im Treppenhaus. Näher kommende Schritte, auf dem Weg nach oben.
    Eric rührte sich nicht. Er wagte es kaum zu atmen und hielt die Luft an.
    Die Schritte änderten ihr Klangbild. Es schien, als würden sie nun behutsamer aufgesetzt.
    Der Eindringling näherte sich zögernd und legte längere Pausen ein, die darauf schließen ließen, dass er unsicher war, vielleicht sogar selbst Angst hatte. Als ein Knarren laut wurde, wusste Eric, dass der Eindringling die verräterische fünfte Stufe erreicht hatte.
    Er schaute sich im Zimmer um und suchte nach einem Gegenstand, mit dem er sich verteidigen könnte. Die Auswahl war mager – eine Sporttasche, ein Paar Turnschuhe, ein Kaffeebecher, den er in die Küche zurückzubringen vergessen hatte. Der schwerste Gegenstand, auf den sein Blick fiel, war der Laptop.
    Eric schlich zum Schreibtisch und griff mit beiden Händen danach, so wie man ein Buch packte, um eine Spinne damit totzuschlagen. Er kam sich selbst lächerlich vor, als er, mit dem Laptop bewaffnet, zur Tür zurückschlich. Wäre Mitch Gracey mit ihm im Zimmer, hätte er wahrscheinlich die Augen verdreht.
    Doch daran störte sich Eric in diesem Moment nicht. Es störte ihn auch nicht, womöglich ein sehr teures Gerät zu zerstören – zumal er während des vergangenen Monats kaum etwas darauf geschrieben hatte.
    An der Tür angekommen, schloss er sie auf. Der Eindringling hatte den oberen Treppenabsatz erreicht und bog in den Korridor ein. Die vorsichtigen Schritte hallten von den Wänden wider.
    Eric wartete, die Hand am Türknauf. Auf der anderen Seite hörte er jemanden atmen. Schwer und unter Mühen. Es war definitiv ein Mann.
    Wer er sein mochte oder was er wollte, war Eric ein Rätsel. Aber er wusste, dass ihm wohl nichts anderes übrig bleiben würde, als zu kämpfen.
    Er riss die Tür auf, hob den Laptop über den Kopf und stürmte nach draußen, entschlossen, blindlings draufloszuschlagen. Doch als er sah, wen er vor sich hatte, verpuffte sein Kampfgeist auf der Stelle.
    Der Mann im Korridor war keine Bedrohung. Herrje, er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Von der Wand im Rücken gestützt, starrte er Eric unter schweren Lidern an. Er hatte eine Fahne, die sich mit anderen, noch unangenehmeren Gerüchen mischte – Schweiß, Urin und Verfall.
    «Dad?», sagte Eric. «Was machst du denn hier?»
    Sein Vater antwortete nicht. Er war zu betrunken, sternhagelvoll, um genau zu sein, was nicht nur die Fahne verriet. Er rutschte wie eine nicht ganz gar gekochte Nudel an der Wand nach unten. Eric packte ihn bei den Armen und half ihm ins Zimmer seiner Mutter.
    Dort ließ er seinen Vater aufs Bett fallen. Zu sehen, wie sein Kopf auf dem weißen Kissen hin und her rollte, ging dem Sohn an die Nieren. Das wäre seiner Mutter nicht recht gewesen. Sie hätte Ken nicht in ihr Haus gelassen, geschweige denn ins Schlafzimmer, das früher einmal das Elternschlafzimmer gewesen war. Wenn überhaupt, hätte sie ihn allenfalls auf der Veranda schlafen lassen.
    Aber dafür war es jetzt zu spät. Sein Vater lag, aus allen Poren stinkend, im Bett, und Eric war zu müde, um ihn nach draußen zu schaffen. In der Tür hörte er, wie sich hinter ihm etwas regte. Er warf einen Blick über die Schulter und sah seinen Vater aufrecht im Bett sitzen. Kaum zu glauben, aber sein Verstand schien noch zu funktionieren.
    «Eric», lallte er. «Es tut mir leid.»
    «Was tut dir leid?»
    Sein Vater hatte in seinem Leben so viel Mist gebaut, dass er jetzt hoffentlich keinen Generalablass erbat. Falls er sich tatsächlich entschuldigen wollte, wollte Eric zumindest wissen, wofür genau.
    «Wegen Charlie», sagte sein Vater.
    «Was sollte dir seinetwegen leidtun?»
    Sein Vater antwortete nicht. Er fiel aufs Bett zurück und schloss die Augen. Aber noch schlief er nicht. Nicht ganz. Bevor er wegdriftete, murmelte er noch genau fünf Worte.
    «Versuch nicht, ihn zu finden.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Freitag
    22
    Nick verbrachte die Nacht in einem Super-8-Motel zehn Minuten außerhalb von Fairmount. Genau wie Tony, nur wurde dessen Zimmer von der State Police bezahlt. Nick musste seine Visa-Card belasten, mit der er schon tief in den Miesen stand. Immerhin war das Zimmer billig. Eine teurere Unterkunft – das Days Inn zum Beispiel – hätte seinen Kreditrahmen gesprengt. Hier war

Weitere Kostenlose Bücher