Totenpech
preiszugeben, oder ob er auf die Probe
gestellt wurde, um sich eventuell als nicht gesellschaftsfähig zu entpuppen.
»Ich denke, von einem gewissen Betrag an redet man nicht mehr
darüber, Madame Renouillt. Sie sind doch Französin, oder?«
Sie lächelte über seine Antwort. Anscheinend war sie zufriedenstellend.
Sie sah auf ihr leeres Glas in der Hand, und als Sam nicht reagierte, sagte
sie: »Ich würde gern noch ein Glas Champagner trinken.« Dann drehte sie sich
um, ging ein paar Schritte Richtung Bar, und als sie merkte, dass Sam nicht
gewillt war, ihr zu folgen, kam sie wieder zurück, hakte sich unter und zog ihn
wie ein störrisches Kind mit sich. »Sie sind alleine hier?« Es war mehr eine
Feststellung als eine Frage.
»Ja.«
»Sind Sie verheiratet?«
Sam fand, dass die Frau ziemlich forsch an das Objekt ihrer Begierde
heranging.
»Was denken Sie?«, fragte er zurück.
»Verheiratet mit zwei Kindern.« Sie sah ihn abschätzend mit leicht
zusammengekniffenen Augen an, legte den Kopf etwas schief und führte ihre
Vermutungen genauer aus: »Na schön, ich schätze, Sie sind so um die vierzig, da
wäre es auch gut möglich, dass Sie nach etwa zehn Jahren Ehe seit einiger Zeit
getrennt leben oder sogar bereits geschieden sind und in einer neuen aufregenden
Beziehung leben. Das Ãbliche eben«, fügte sie abgeklärt hinzu.
»Stimmt genau«, sagte Sam voller Ãberzeugung. »Sie sind eine gute
Menschenkennerin.« Er lächelte ihr bewundernd zu und beobachtete über sein Glas
hinweg ihre Reaktion. Sie schien geschmeichelt zu sein.
»Wo leben Sie?« Bei der Frage wanderten ihre grauen Augen über
seinen Anzug. Er war froh, dass er so eine gute Figur darin machte. Ãberlegte
sie gerade, von welchem Designer der Anzug stammte? Oder malte sie sich aus,
wie er wohl ohne ihn aussah?
»New York.«
»New York?« Wieder durchbohrte ihn dieser abschätzende Blick. Das
Innere ihrer Augen war unnatürlich weiÃ. Hätte diese Frau ihn von einem Foto
aus angesehen, hätte er seine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass die Augen retuschiert
waren.
»Wie interessant. Wie heiÃt Ihre Bank?«
Jetzt hat sie mich, dachte Sam. Er wusste so wenig von Banken wie
eine Kuh vom Eierlegen. Er war froh, dass er monatlich seinen Kontostand
abrufen und gelegentlich einen Ãberweisungsbeleg ohne Fehler ausfüllen konnte.
Alles andere interessierte ihn nicht. »Reden wir nicht über mich. Viel mehr
interessiert mich, was Sie machen.« Das war nicht einmal gelogen, dachte Sam.
Am liebsten hätte er alle Gäste danach gefragt.
Joséphine Renouillt sah auf den Boden, hob dann langsam den Blick
und sagte in verführerischem Ton: »Ich habe das ausgesprochene Glück, nichts
tun zu müssen. Reich geboren, und ich werde auch reich sterben, weil meine Familie
so viel angehäuft hat, dass man es nicht ausgeben kann.« Sie lachte und nahm
einen kräftigen Schluck aus ihrem Glas, stellte es auf den Tresen und griff
sich ein neues Glas.
»Keine Hobbys, keine besonderen Leidenschaften?«
»Reisen, Shoppen und die Liebe.«
Da war sie wieder beim Thema, dachte Sam, bohrte seinen Blick in den
Rücken von Frau Serani und stieà einen stummen Hilfeschrei aus. Tatsächlich
drehte sich Frau Serani auch um, ihre Blicke trafen sich. Dann bewegte sie sich
langsam auf das Paar zu, immer mit einem Lächeln im Gesicht und ihren Gästen
freundlich zunickend.
»Darf ich Ihnen Herrn Kondor für eine Weile entführen, Joséphine?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm sie Sams Hand und ging die Treppe
nach oben auf die Galerie, von der aus man einen guten Blick auf die
versammelten Gäste hatte.
»Ist sie nicht Ihr Typ?«
»Nun, ich möchte nicht unhöflich sein, aber â¦Â«
»Schon gut. Ich kenne Joséphine schon recht lange, ihre Spenden sind
immer überaus groÃzügig, aber sie ist auch ein Luder. Ich weiÃ, dass sie
verheiratet ist, aber stets allein auf den Veranstaltungen erscheint. Sie
flirtet gerne und hat eine besondere Vorliebe für dunkelhaarige, gut aussehende
Männer.«
»Sie sagte, ihre Familie sei reich. Also sehr reich.«
»Wenn man mit dem Geld so um sich schmeiÃt, wird das wohl stimmen.
Ich habe sie auf einer Versteigerung kennengelernt. So wie Sie.«
Unter ihnen ging gerade Joséphine durch die Menge und sah
Weitere Kostenlose Bücher