Totenplatz
diesen Totenplatz zu dem gemacht, was er heute ist?«
»Eine schreckliche Magie.«
»Das ist mir zuwenig.«
»Die Magie ist uralt, so alt wie die Zeiten, als es diese Welt noch nicht so gab. Man hat nur flüsternd darüber gesprochen, nur wenige wußten Bescheid, und mein Freund Hector de Vilois gehört zu den Wissenden. Ihm war es bewußt, er hat die riesigen Gefahren erkannt, ohne sie allerdings stoppen zu können. Der Platz war älter, viel älter, als wir damals annehmen konnten. Er ist schon immer ein Treffpunkt gewesen.«
»Von wem?«
»Ein Treffpunkt für eine bestimmte Gruppe von Dämonen. Vielleicht für die gefährlichste von allen…«
Mir kam ein bestimmter Verdacht, den ich allerdings nicht aussprach, weil ich Derek Ashford reden lassen wollte. Und er enttauschte mich auch nicht, denn er sagte: »Er war ein Treffpunkt für die Kreaturen der Finsternis…«
Die Dohle hatte den Finger!
Er klemmte als wertvolles Beutestück zwischen den beiden Schnabelhälften, und sie war mit ihm hoch in die Luft gestiegen, als wollte sie noch einmal triumphieren.
Vom Schnabel tropfte das Blut. Es klatschte in die Tiefe und erwischte auch den einen oder anderen Grillgast, der diesen schaurigen Regen erst gar nicht wahrnahm. Man war mit sich selbst beschäftigt, man sprach, man aß, trank und lachte, denn das Grillfest lief allmählich seinem Höhepunkt entgegen.
Es waren doch noch mobile Toiletten herangeschafft worden, und alles wies darauf hin, daß sich dieses Fest bis in die Dunkelheit hineinziehen würde.
Das störte die Dohle nicht.
Hoch über der Grillhütte zog sie ihre Kreise, die Beute im Schnabel. Aus ihren kalten Augen schaute sie auf die Lichtung nieder, als suchte sie nach einem bestimmten Ort, wo sie sich mit ihrem makabren Beutestück niederlassen konnte.
Die Menschen näherten sich, wuchsen. Der Vogel hörte die Stimmen, der Vogel sah die Bewegungen, und er roch auch den Rauch, der vom Grillfeuer in die Höhe stieg. Durch einen Kamin auf dem Dach der Grillhütte konnte er sich drücken, und er legte sich wie ein Schleier über den alten Totenplatz zwischen den Bäumen.
Alles paßte, bis auf die Schreie.
Kein Tier gab sie ab, niemand, der sich im Geräusch versteckt hielt. Der Vogel hörte sie sehr genau, denn es waren die gellenden Schreie einer verletzten Frau.
Ob sie auch von den Gästen wahrgenommen wurden, störte die ungewöhnliche Dohle nicht. Sie war bereit, den Schrecken zu verbreiten, und sie tauchte plötzlich dem Boden der Lichtung entgegen.
Blitzschnell war sie. Fast wie ein Stein fiel der Vogel nach unten, und einen Moment später jagte er in Kopfhöhe und in genau abgezirkelten Kurven zwischen den Menschen hinweg, um dann in das Innere der Grillhütte zu tauchen.
Da erst wurde er wahrgenommen.
»Wo kommt der Vogel her?« schrie ein Mann, schlug um sich und hatte sein Fleisch vergessen, das auf dem Teller lag. Es rutschte zu Boden, er selbst wandte sich vom Schwenkgrill ab, hinter dem ein Mann stand, der Nachschub auf den Rost legte.
Die Arbeit vergaß er.
Plötzlich erschien vor ihm und über dem Grill ein flatterndes Etwas. Der Vogel wußte sehr genau, was er zu tun hatte, denn er blieb für einen Moment an derselben Stelle, dann öffnete er seinen Schnabel, und einen Augenblick später rutschte die Beute hervor.
Die blutige Fingerhälfte landete mitten auf dem Grill.
***
Garry McBain hatte seinen Auftrag nicht vergessen. Immer wieder unterbrach er seine Arbeiten, um sich umzuschauen. Hin und wieder trafen sich seine und die Blicke des Superintendenten. Dann nickte er jedesmal, zum Zeichen, daß alles in Ordnung war. War es das wirklich?
Der Förster fühlte sich unwohl, und seine Frau ebenfalls, die an seiner Seite war, so oft sie konnte. Sie räumte Gläser ab, spülte auch oder füllte die Kühlung auf.
In einer kurzen lause ging sie zu ihrem Mann, der sich mit einem älteren Herrn unterhielt. »Ein schönes und gelungenes lest, Mr. McBain, ich gratuliere Ihnen.«
»Danke sehr.«
»Es wird noch länger dauern, denke ich mir. Hoffentlich haben Sie genügend Nachschub.« Der weißhaarige Mann lachte und hob sein Bierglas an, bevor er sich abwandte.
Helen sah, wie ihr Mann die Augen verdrehte, dann sprach sie ihn an.
»Nun, was hast du?«
Er hob die Schultern. »Was soll ich haben?«
»Du bist nervös.«
»Du nicht?«
»Und wie.«
Garry nickte. »Ich habe mich umgeschaut, aber keine Spur von Sinclair und Suko.«
»Die sind doch im Wald.«
»Schon sehr
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