Totenplatz
Wunde, und die Schminke war an den Rändern verlaufen. Ihre Augen hatten längst die Klarheit verloren, aber sie konnte die Champagnerflaschen noch erkennen, deren Hälse aus dem großen Eiskübel hervorragten.
»Davon«, sagte sie und deutete auf den Kübel.
»Champagner oder Sekt?«
»He«, drohte sie. »Was soll das denn heißen? Sehe ich so aus, als würde ich Sekt trinken?«
»Pardon, Madam, natürlich nicht!« Kelly bemühte sich um Freundlichkeit.
»Aber es gibt einige Gäste, die auch Sekt trinken.«
»Zu dieser Schicht gehöre ich nicht.«
»Natürlich, Madam.« Kelly lächelte sie an und dachte das Gegenteil Für sie war diese Tante nicht mehr als eine widerliche Tücke, die hier die große Frau markierte, wobei sicherlich nicht viel dahintersteckte. Sie bekam ihr Glas, und als Margret danach schnappte, schwappte etwas Champagner über. Er rann eiskalt über ihre Hand.
»Passen Sie doch auf, Sie…Sie…«
»Sorry.«
»Schon gut.« Margret wandte sich ab. Wieder zu heftig, denn abermals perlte das Zeug über. Sicherheitshalber nahm sie einen Schluck, noch einen zweiten, um verwundert totzustellen, daß ihr Glas bereits leer war.
Sie ließ es erneut füllen.
»Ja, das tut gut.« Diesmal trank Margret nur einen kleinen Schluck. Mit dem Glas in der Hand wanderte sie weiter in Richtung Grillhütte.
Eigentlich hätte sie noch gern von den Scampis gegessen, aber sie war so satt, daß sie kaum noch einen Bissen runterkriegen würde. Sie nahm sich vor, das wenige, das sie essen wollte, einfach flüssig zu sich zu nehmen.
Einige Gäste gingen ihr bewußt aus dem Weg, als sie Margret ankommen sahen. Mit dem lilafarbenen Hut und dem strohgelben Kleid dazu machte sie auch einen zu komischen Eindruck. Einen bunten Vogel gab es auf jeder Fete.
Ihr Mann hielt sich vornehm zurück. Geriet Margret in sein Blickfeld, tauchte er lieber weg. Man kannte ihn, man kannte seine Gattin und würde ihm keine Schuld geben.
Die gab er sich selbst. Schließlich war er so blöd gewesen, sie zu heiraten.
Selbst der leicht benebelten Lady fiel auf, daß kaum jemand bereit war, mit ihr zu sprechen. Immer wenn sie einen Gast anredete, drehte der sich ab. Die einen lächelten noch, die anderen verzogen keinen Gesichtsmuskel und taten so, als gäbe es sie nicht.
Sie wurde wütend.
Die haben genau gemerkt, daß wir Pech an der Börse hatten. Die mögen uns nicht mehr, weil wir ein paar Pfund verloren haben. Diese verdammten Geier. Vor Monaten noch drängelten sie sich, wenn wir eine Einladung aussprachen. Jetzt aber tun sie so, als würde es mich und meinen Mann nicht mehr geben. Die sollten sich wundern. Es würden auch noch andere Zeiten kommen, ganz bestimmt, ganz bestimmt…
Ihre Gedanken schwammen, und so ähnlich sahen auch ihre Füße aus, wenn sie lief.
Die Sonne leuchtete kraftvoll die Lichtung aus. Schattiger war es da schon an den Rändern, dort wollte Margret auch hin, sich niedersetzen und sich erst mal ausruhen.
Abrupt und trotzdem schwankend blieb sie stehen. »Huch, was ist das denn?«
Sie hatte das mächtige Hindernis vor sich im letzten Augenblick erkannt und auch festgestellt, daß sie beinahe gegen einen dicken Baumstumpf gelaufen wäre.
Daß es ein alter Richtklotz war, konnte sie nicht wissen. Für die Frau war es ein Platz zum Ausruhen. Sie ging einen Schritt zurück, bevor sie sich behutsam drehte und auch darauf achtete, nicht zuviel von ihrem Getränk zu verschütten.
Dann ließ sie sich vorsichtig nieder und stöhnte zufrieden auf, als sie sich setzte.
Himmel, das tat gut. Es war herrlich. Margret streckte die Beine weit von sich und stemmte die Hacken gegen den Boden. Das Glas hielt sie mit beiden Händen fest.
Für einen Moment schloß sie die Augen und wunderte sich darüber, daß sich ihr kleine Welt plötzlich drehte. Margret kam sich vor, als würde sie wegschwimmen. Es dauerte eine Weile, bis sie sich wieder gefangen hatte und die Augen öffnete. Ihr Blick glitt dorthin, wo die Grillgesellschaft stand.
Sie amüsierten sich, sie redeten miteinander. Die Frauen lachten, die Männer hatten auch ihren Spaß.
»Sollen sie…sollen sie doch…«, murmelte sie. »Mich können Sie alle mal kreuzweise.« Ihr Kopf sank nach vorn, und wieder sah sie so aus, als wollte sie einschlafen.
Soweit kam es nicht.
Etwas störte sie.
Zuerst hatte sie nicht darauf geachtet, weil ihr das Geräusch einfach zu fremd klang. Als es nicht verschwinden wollte, hob sie den Kopf und öffnete mühsam die
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