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Totenruhe - Bleikammer - Phantom

Totenruhe - Bleikammer - Phantom

Titel: Totenruhe - Bleikammer - Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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es Ferienhäuser, wo man auf Betriebskosten Urlaub machen konnte – nicht mehr als ein, zwei Tage am Stück natürlich; das hätte die Arbeit nicht zugelassen.
    Trotzdem hatte Mitsugai irgendetwas an sich, was mir nicht behagte. Ich hätte nicht sagen können, was es war, und jedes Mal, wenn ich meiner Frau davon erzählte, meinte sie, das Gefühl käme daher, dass alles so perfekt sei und meine Psyche sich nicht abfinden könne, dass ich einfach Glück gehabt hatte. An der Uni hatte sie Psychologie studiert und später als wissenschaftliche Assistentin gearbeitet, bis wir heirateten. Auch sie hatte sich in letzter Zeit nach einem Job umgesehen, aber nichts Gutes gefunden.
    Vier Wochen nach meiner Anstellung geschah etwas, was mich etwas aus der Bahn warf.
    Der Geschäftsführer verschied plötzlich.
    Ich hatte ihm zweimal gegenübergestanden, das zweite Mal war erst vor wenigen Tagen gewesen. Da hatte er schlecht ausgesehen, ganz grau, als hätte er gesundheitliche Probleme. Auch schien er weniger Haare zu haben als bei unserem ersten Treffen zwei Wochen zuvor. Es war mir aufgefallen, aber ich hatte nicht weiter darüber nachgegrübelt. Natürlich hatte ich nicht im Traum daran gedacht, dass er so kurz darauf sterben könnte. Er war erst 51 gewesen, ein kleiner, agiler Mann, der sehr viel Sport trieb und auf dem Golfplatz kaum zu schlagen war, wie man in seinem Nachruf betonte.
    Mori, einer der Bereichsleiter, wurde zum Geschäftsführer ernannt. Offenbar war jemand anderes im Gespräch gewesen, der die Beförderung aber abgelehnt hatte. Nun, die Bereichsleiter erhielten monatlich eine gotteslästerliche Summe, da war der Karrieredrang wohl nicht mehr ganz so groß …
    Die Trauerfeier fiel erstaunlich kurz und prosaisch aus und weckte in mir den Eindruck, der Verstorbene sei wohl doch nicht so beliebt gewesen. Auf mich hatte er einen angenehmen Eindruck gemacht, aber ich hatte ihn nicht wirklich kennen gelernt.
    Moris Beförderung hinterließ eine Lücke und führte zu weiteren Verschiebungen. Sanagi, ein Hauptabteilungsleiter, übernahm seinen Posten, und Hara, der mir vorgesetzte Abteilungsleiter, wiederum rückte auf seinen Sitzplatz. Hara war der Mann mit dem langen Gesicht, der mir am Tag meines Vorstellungsgesprächs im Aufzug begegnet war. Er war es auch, der mich schließlich zwei Tage nach der Trauerfeier bat, Projektleiter zu werden.
    Nach gerade einmal einem Monat war ich also befördert worden. Es war kein Zufall, dass mir zwei Sätze durch den Kopf gingen, noch während Hara mit mir sprach.
    Der eine stammte von Inoue: „Mitsugai ist eine Firma, in der man nicht lange auf einem Stuhl sitzen muss.“
    Und die zweite Äußerung kam von Hara selbst: „Es gibt hier die Redensart, dass derjenige sich den Kopf anstößt, der in unserer Firma zu schnell nach oben will.“
    Die Geschwindigkeit, mit der meine Karriere bei Mitsugai angelaufen war, machte mich nervös. Aber ich beruhigte mich mit dem Gedanken, wie schön es sein würde, meiner Familie am Abend von dem Mehrverdienst zu berichten – und falls danach noch etwas Unsicherheit übrig blieb, würde meine Frau sie auf ihre geschickte Weise wegdiskutieren.
    Es war schön, mit einer Psychologin verheiratet zu sein. Sie entlarvte meine Sorgen als das, was sie waren: Angst vor Veränderung.
    Und ich merkte schon - wenn es eines gab, was ich bei dieser Firma unbedingt ablegen musste, dann war es genau das:
    Angst vor Veränderung.

3
    Die nächsten Wochen waren bis zum Bersten angefüllt mit Arbeit. Als Projektleiter hatte ich noch mehr zu tun als zuvor, und alle Versuche, meine Verpflichtungen nach unten oder oben abzuwälzen, funktionierten schon deshalb nicht, weil auch dort keine Kapazitäten mehr frei waren. Wohin ich auch schaute, die Firma lief auf Hochtouren, getrieben von einem Fieber, einer Begeisterung, wie ich sie nirgendwo zuvor erlebt hatte. Wie erwartet verzieh mir meine Familie gerne, dass ich so selten zu Hause war. Ein Teil des ekstatischen Gefühls, das mir die Firma gab, nahm ich wohl nach Hause mit, und in diesen Wochen war ich in meiner Familie so etwas wie ein Held, jemand, den man hinaus in die Schlacht schickte und der jeden Tag siegreich zurückkehrte.
    Es ereigneten sich kleine Episoden, die manchmal beinahe etwas irreal anmuteten. Meine Frau hatte sich einen PC mit Komponenten gekauft, die durch die Hände meiner Firma gegangen waren, und der Händler hatte vor ihr mit glänzenden Augen und glühenden Wangen ein Loblied auf

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