Totenruhe
froh, wenn er die Toilette benutzen könnte. Er hat gewartet, bis Sie nach Hause kommen, und die Schicht hat sich für den armen Kerl ganz schön hingezogen.«
O’Connor wusste zwar, dass das nicht ganz stimmte, doch er verkniff es sich, Nortons Pläne zu durchkreuzen.
Warren war einverstanden. Sie betraten das kleine Wohnzimmer, von wo aus sie sahen, dass sie sich in einem von vier Räumen befanden. Das Haus besaß eine Küche, ein Badezimmer, ein Schlafzimmer und ein Wohnzimmer. Sämtliche Türen standen offen. Im Schlafzimmer lag Männerkleidung herum, und das Bett war nicht gemacht. Rasch zog Warren die Tür zu. Die anderen Räume waren einigermaßen aufgeräumt. Warren ließ Arden die Toilette benutzen, ehe er an einen schmalen Wäscheschrank trat und drei saubere, trockene Handtücher herausnahm.
Arden machte Anstalten, wieder hinauszugehen, schnappte aber offenbar ein Zeichen von Norton auf und blieb drinnen, neben der Tür.
Warren drehte eine kleine Gasheizung auf und forderte O’Connor und Norton auf, in die Küche zu kommen, da das der größte Raum im Haus sei. Während er die Kaffeemaschine in Gang setzte, nahmen O’Connor und Norton am Küchentisch Platz. O’Connor hörte die Tassen gegen die Untertassen klirren, als Warren sie auf die Arbeitsfläche stellte.
Warren beobachtete eine Zeit lang die Kaffeekanne, ehe er sich resigniert setzte, als fiele ihm keine andere Methode ein, wie er das aufschieben konnte, was er gleich zu hören bekommen würde.
»Der Kaffee dauert ein paar Minuten. Worum geht’s denn überhaupt?«
»Es geht leider um Ihre Familie, Mr. Ducane.«
»Meine Familie? Meine Eltern? Ist meinen Eltern etwas zugestoßen?«
»Ihr Bruder und seine Frau sind am späten Samstagabend mit Ihren Eltern auf deren Boot rausgefahren. Seither sind sie nicht zurückgekehrt.«
Ducanes Gesichtsfarbe wechselte von Kalkweiß zu Grau. »Aber doch nicht … doch nicht alle? Alle zusammen?«
»Ja … Ist Ihnen nicht gut? Vielleicht sollten Sie kurz den Kopf zwischen die Knie stecken.«
Warren gehorchte und bekam wieder etwas Farbe, wirkte aber immer noch benommen.
Der Kaffee begann durchzulaufen, wobei die Maschine ein abgehacktes Gurgeln von sich gab.
Ducane saß da und starrte ins Leere, ehe er fragte: »Todd und Kathleen auch?«
Es war immer das Gleiche, dachte O’Connor. Leute, die einen Schock erlitten hatten, glaubten, wenn sie die Frage in anderer Form stellten, würde die Antwort anders ausfallen. Als ob genügend Fragen zwangsläufig zu einer Antwort führen würden, die ihnen gefiel oder die ihnen schlüssig erschien.
»Ja«, sagte Norton mit vollendeter Geduld. »Ihre Eltern, Todd und Kathleen.«
Warren begann zu zittern. »Nein … das muss ein Irrtum sein. Gestern hatte Kathleen Geburtstag. Sie haben gefeiert. Meine Eltern wollten nach der Party mit ihrem neuen Boot rausfahren. Allein. Nicht mit Todd und Kathleen. Todd und Kathleen müssen irgendwo anders sein.«
»Ihre Eltern haben sie aufgefordert mitzukommen. Viele Leute auf der Party haben ausgesagt, dass sie es so gehört hätten, Kathleens Eltern eingeschlossen.«
Eine Weile hörte man nur das unregelmäßige Blubbern und Zischen der Kaffeemaschine.
»Nein«, sagte Warren erneut. »Sie haben Todd nicht mitgenommen. Nicht Todd.«
Norton schwieg.
Warrens Gesicht verzerrte sich, und er stieß einen schrecklichen, schmerzerfüllten Laut aus, einen Laut, den O’Connor schon tausendmal gehört hatte und nie wieder hören wollte. Norton, der ihn wahrscheinlich schon hunderttausendmal gehört hatte, legte Warren Ducane eine Hand auf die Schulter. Warren schlug die Hände vors Gesicht und begann, heftig zu schluchzen.
Die Kaffeemaschine hörte auf zu blubbern, ihr rotes Anzeigelämpchen leuchtete, und O’Connor erhob sich und schenkte den Kaffee ein. Er stellte jedem eine Tasse hin und bot auch Arden eine an, der jedoch höflich ablehnte. Eine Zeit lang blieb O’Connor der Einzige, der überhaupt einen Schluck trank.
Warren stand auf, entschuldigte sich hastig und lief ins Badezimmer. Zuerst hörten sie ihn würgen, dann rauschte die Toilettenspülung, und Wasser lief plätschernd ins Waschbecken. Nach einiger Zeit kehrte er zurück.
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte er mit zitternder Stimme. »Das hilft auch nichts.«
Er nahm seine Kaffeetasse und trank einen Schluck, ehe er sie wieder wegschob.
»Sind Sie sicher, dass das Boot verschollen ist? Ich meine, besteht denn nicht die Möglichkeit, dass sie unversehrt
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