Totenruhe
über die am Esstisch alle lachten, und er fand, dass eines Tages mal jemand die Wahrheit aussprechen und über Familien wie die schreiben sollte, in die er hineingeboren worden war. Mit egoistischen Idioten als Eltern.
Doch daran wäre leider gar nichts lustig - das wusste er aus eigener Anschauung.
Ihm war schlecht, wenn er an Todd dachte. Einfach nur schlecht.
Und das Kind … das war ja völlig unbegreiflich. Würden Entführer sich denn nicht vorher vergewissern, dass die Leute Geld hatten, deren Kind sie sich schnappten? Todd und Katy waren fast pleite.
Was zum Teufel war passiert?
Eine Frau war in Todds Haus ermordet worden. Das Kind hatte jemand entführt, und Todd trieb womöglich irgendwo im Meer. Katy auch.
Es war alles ganz verkehrt. Verkehrt, verkehrt, verkehrt. Hätte nie passieren dürfen.
Eine Woche lang hatte er überlegt, ob er dazu imstande wäre, sich schockiert zu zeigen, wenn er die Nachricht vom Tod seiner Eltern bekam.
Doch er hatte überhaupt nicht schockiert zu tun brauchen. Der Schock war echt gewesen.
Todd. Katy. Das Kind.
Was hatte er getan? Was hatte er getan? Gott stehe ihm bei -
Nein, es hatte keinen Sinn, Gott um Beistand zu bitten. Dazu war es zu spät, wenn man Abmachungen mit dem Teufel getroffen hatte.
Seine Schuld. Alles seine Schuld.
Er hörte sich selbst einen Klagelaut ausstoßen und schlug sich die Hand auf den Mund.
Er weinte so lange, bis er erschöpft war. Trotzdem wollte der Schlaf nicht kommen.
Was war schief gegangen? Es hätte doch alles klappen müssen. Dutzende führender Bürger konnten beschwören, dass er das ganze Wochenende bei Auburn gewesen war. Er hatte mit dem Scheiß-Polizeichef beim Pokern gesessen, als seine Eltern mit ihrer Jacht hinausgefahren waren - perfekter konnte es doch gar nicht laufen.
Nicht Todd. Nicht Katy. Nicht der Kleine. Nur seine Eltern.
Er begriff das alles nicht, und er hatte kein Vertrauen mehr zu dem einzigen Menschen, der es ihm hätte erklären können.
Wer konnte ihm helfen?
Er dachte an Auburn und an dessen Freundlichkeit ihm gegenüber.
In gewissem Maße hatte er Auburn benutzt. Darauf war er nicht stolz.
Und jetzt, viel zu spät, erkannte er, dass er selbst benutzt worden war. Der Gedanke machte ihn wütend - und im nächsten Moment vollkommen einsam und hilflos.
Angeblich hatten sie den Cop zu seinem Schutz dagelassen. Um seine Sicherheit zu garantieren.
Um ihn gefangen zu halten, hatten sie wohl gemeint. Um ihn im Auge zu behalten.
Welchen Verdacht hegten die Cops?
Er blickte zum Telefon. Erwog, jemanden anzurufen. Entschied sich dagegen. Wahrscheinlich hörten die Bullen ihn ab.
Oder sie würden von der Telefongesellschaft verlangen, ihnen zu sagen, wen er angerufen hatte.
Wahrscheinlich würde er sowieso nicht durchkommen. Er würde ein paar Tage warten müssen, bis der Teufel, mit dem er sich eingelassen hatte, wieder in der Stadt war.
Dann würde er anrufen. Nur um sich zu erkundigen, nur um zu erfahren, ob es einfach ein Irrtum gewesen war. Wenn am Montagabend immer noch ein Cop vor der Tür stand, würde er sagen, er müsse auf einen Sprung zum Drugstore, um sich Zigaretten zu holen. Dort würde er sich ein Münztelefon suchen und anrufen.
Und beschattet werden und dann … nein. Das würde nicht funktionieren.
Außerdem kannte er die Antwort auf seine Fragen doch schon, oder?
Er konnte sich Wort für Wort an das Gespräch erinnern. Das Gespräch mit dem Teufel.
Mitch Yeager.
An das Angebot, ihm Geld zu leihen, das er - Gott sei Dank! - abgelehnt hatte.
An die Schmeichelei, auf die er natürlich hereingefallen war, dummer Esel, der er war!
Und an die Fragen, die darauf abzielten, ihn immer mehr und immer weiter über all das reden zu lassen, was ihn an seinen Eltern am meisten ärgerte. Wie er seinen Zorn über schon lange schwelende Ärgernisse geschürt hatte, die sehr real gewesen waren. Wie er mit ihm darin einig gewesen war, dass seine Eltern selbstsüchtige Säufer waren. Wie ihm Yeager anvertraut hatte, dass seine eigenen Eltern versoffene Versager gewesen waren und er und sein Bruder das Familienvermögen gerettet hatten. Wie er Warren versichert hatte, dass Barrett Ducane - genau wie Warren Ducane argwöhnte - die familieneigenen Firmen ruinierte.
»Ich glaube, Sie würden sie besser führen.«
»Ich nicht. Aber Todd könnte es.«
»Sie und Todd gemeinsam. Ich könnte Sie beraten.«
»Warum sollten Sie?«
»Ich will in Ihre Firmen investieren.« (Ihre Firmen! So klang es,
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