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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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befand sich noch mehr platt gedrücktes Schilf. Dort war es auch schlammiger und glitschiger, daher musste er sich den Weg am Rand des Sumpfes entlang langsam und vorsichtig bahnen. Immer wieder blickte er zwischen Wasser und Straße hin und her.
    Er stieß auf Reifenabdrücke. Sie waren zwar schon fast ganz weggespült worden, doch er konnte noch die Furchen tiefer Reifenspuren erkennen, die nur wenige Meter vor dem Wasser
zum Stehen gekommen waren. Noch ein, zwei Meter, und der Wagen wäre vermutlich im Schlick stecken geblieben.
    Er sah auch Fußabdrücke, davon ein Paar besonders groß und tief. Das andere, kleinere Paar, befand sich auf der anderen Seite der Reifenspuren und sah eher danach aus, als hätte jemand lediglich dort gestanden.
    O’Connor versuchte, die Abläufe nachzuvollziehen. Der Wagen hatte nicht gewendet. Aus den Reifenspuren schloss er, dass der Wagen von der Straße aus wohl rückwärts ans Wasser herangefahren war, damit die beiden Männer, falls nötig, eine schnelle Flucht bewerkstelligen konnten. Bei dem Matsch war das allerdings riskant gewesen - er sah jetzt noch, wo der Schlamm sich aufgestaut hatte, als die Hinterreifen beim Bemühen, wieder herauszufahren, zunächst durchgedreht hatten.
    Der große Mann - der Riese, der Jack verprügelt hatte? - war zum Heck des Wagens gegangen und hatte sich etwa in die Mitte der Reifenspuren gestellt, allerdings ein Stück weiter hinten, näher am Wasser. Vielleicht um den Kofferraum aufzumachen?
    Die Fußabdrücke dieses Mannes waren riesig und tief und führten vom Wagen weg aufs Wasser zu. Erst jetzt entdeckte er die Schuhe zwischen den Grashalmen. Noch bevor ihm einfiel, dass Möwen Aasfresser waren, wusste er es. Er brüllte und wedelte mit den Armen, und für einen Moment flogen sie auf - lange genug, um den Toten zu sehen, der aufgedunsen und reglos dalag, komplett angezogen und mit entstelltem Gesicht. Er wusste, wer es war.
    Jack hatte den blonden Riesen überlebt.

16
    Hastings betrat die Bibliothek mit leisen Schritten, doch Lillian hatte das Telefon klingeln hören und erwartete ihn. Sie wandte den Blick vom Feuer ab und sah auf. Sie erschrak ein
wenig und fragte sich, ob ihr Gesicht ebenso deutliche Zeichen des Kummers aufwies wie das des Butlers. Der arme Hastings. Dabei tat er sein Bestes, um es zu verbergen.
    »Mr. Yeager ist am Telefon, Madam«, verkündete Hastings.
    Lillian seufzte.
    »Niemand würde es Ihnen übel nehmen, wenn Sie zu einem solchen Zeitpunkt keine Anrufe entgegennähmen«, sagte Hastings.
    Beinahe hätte Lillian sein Angebot, sich abschirmen zu lassen, angenommen, doch sie wusste, dass eine Unternehmersgattin stets die Folgen für die Firma ihres Mannes bedenken musste. Seit den Kriegsjahren hatte sich Vanderveer-Linworth unter Harolds alles andere als genialer Firmenleitung von einem Unternehmen, das beinahe Yeager Enterprises geschluckt hätte, zu einem Unternehmen gewandelt, das beinahe von diesem geschluckt worden wäre. Hätte Lillian nicht selbst eingegriffen, wäre es wohl so weit gekommen. Sie schüttelte den Kopf und sagte: »Harold macht viel zu viele Geschäfte mit Mr. Yeager, als dass ich es mir leisten könnte, ihn in irgendeiner Form vor den Kopf zu stoßen. Und so wie ich Mitch kenne, kommt er her, wenn ich nicht mit ihm telefoniere. Ich nehme den Anruf hier entgegen, vielen Dank.«
    »Darf ich Ihnen irgendetwas bringen? Kaffee? Tee?«
    »Tee wäre wunderbar«, antwortete sie. Sie wollte zwar eigentlich keinen, wusste aber, dass sich Hastings wohler fühlen würde, wenn er beschäftigt war.
    Sie nahm den Hörer ab, hörte, wie Hastings am anderen Apparat auflegte, und sagte: »Hier ist Lillian.«
    »Lillian, es tut mir wahnsinnig Leid. Ich kann es gar nicht fassen.«
    »Danke, Mitch. Ich weiß nicht, ob ich es selbst schon begriffen habe. Und ich gestehe, ich hoffe immer noch, dass sie sie finden. Kathleen hätte doch garantiert eine Schwimmweste angezogen.«

    »Aber natürlich! Sie war - sie ist - ein kluges Mädchen. Kommt ganz nach ihrer Mutter.«
    Lillian brachte kein Wort heraus.
    »Es geht mir besonders nahe, weil ich dank dir jetzt Vater geworden bin.«
    »Dank mir?«, sagte sie verständnislos.
    »Hat dir Harold das nicht erzählt? Wir haben vor ein paar Wochen ein Kind adoptiert. Sogar genau heute vor einem Monat.«
    Sie vernahm die Freude in seiner Stimme, den Überschwang. Die Freude eines anderen war im Moment für sie kaum zu ertragen. »Nein … nein, das hat er nicht

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