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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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nahm er den Hörer von der Gabel, sowie er zu Hause war. Er zog den Adapter für 45er-Singles vom Plattenteller und stellte die Geschwindigkeit auf 78. Dann steckte er einen kleinen Stapel Platten auf die Spindel, hob den Tonarm herüber und senkte ihn sachte auf die erste 78er herab. Beim Essen hörte er sie sich nacheinander an - bis Nat King Coles »Send For Me« einsetzte. Beim zweiten Vers ging ihm der Text zu nahe, und er stellte den Plattenspieler ab. Da ihm nun der Appetit vergangen war, räumte er alles weg, legte den Hörer wieder auf die Gabel, zog sich aus und schlief ein.
    Das Telefon klingelte eine Stunde später. Er nahm ab und hörte Mr. Wrigley sagen: »Ihre Lieblingstheorie ist rausgeflogen. Ich wollte nicht, dass Sie es erst erfahren, wenn Sie morgen die Zeitung aufschlagen, deshalb sage ich es Ihnen gleich. Schlafen Sie sich aus.«
    »Ich war gerade dabei«, entgegnete O’Connor und legte auf.
    Eigentlich wollte er nicht wieder einschlafen, doch er kam nicht dagegen an.
     
    Um zwei Uhr nachmittags war er wieder angezogen und auf dem Weg zu seinem Wagen. Gerade als er die Schlüssel aus der Hosentasche fischte, hörte er das vertraute Pfeifen eines Verkaufswagens von Helms Bakery. Er hielt das hellgelbe Vehikel an und kaufte sich einen Donut, den er auf dem Weg zum Krankenhaus verdrückte.
    Jack schlief. Helen bedeutete O’Connor, auf den Flur hinauszukommen.
    »Er schläft die meiste Zeit«, erklärte sie, »und wenn er wach
ist, redet er wirres Zeug. Die meiste Zeit spricht er von diesem verfluchten Auto.«
    »Haben sie seine Sachen hochgebracht? Die, die er angehabt hat, als er hierher kam?«
    Ihre Augen weiteten sich. »Du hast doch nicht etwa vor, ihn anzuziehen und hier rauszubringen?«
    »Nein. Aber ich muss seine Sachen sehen.«
    Sie kehrten ins Zimmer zurück, wo sie einen Schrank öffnete. »Da, nimm«, sagte sie und reichte ihm eine große Papiertüte. »Und halt dir die Nase zu, wenn du sie aufmachst. Das Zeug stinkt zum Himmel.«
    Er trat wieder in den Korridor hinaus, und Helen folgte ihm. Dort machte er die Tüte auf, roch am Inhalt und fragte: »Hast du einen Mantel dabei? Das machen wir lieber draußen. Treffen wir uns im Innenhof.«
    Wenige Minuten später hatten sie mehrere blutige Herrenkleidungsstücke auf der Erde im Hof liegen.
    »Guter Gott«, sagte Helen und steckte sich eine Zigarette an. »Glaubst du, er hat noch ein bisschen Blut in den Adern behalten?«
    »Klar. Er hat Schläge auf Nase und Mund bekommen«, erwiderte O’Connor geistesabwesend. »Die bluten leicht.« Nachdem er die Sohlen von Jacks Schuhen inspiziert hatte, stellte er die Schuhe ab und begann, Jacks Taschen umzustülpen. In der Tasche von Jacks Anzugjacke fand er ein langes, dünnes, feuchtes Blatt.
    »Hol mich der Teufel«, sagte er.
    »Mach dir bloß keine Hoffnungen, dass ich dagegen wette. Was hast du denn gefunden?«
    »Ein Eukalyptusblatt.«
    Sie zog an ihrer Zigarette. »Ich nehme nicht an, dass du plötzlich ein Faible für Botanik entwickelt hast.«
    »Jack hat gesehen, wie das Auto vergraben worden ist. Er hat es wirklich gesehen.«

    »Ich hätte es wissen müssen. So was passiert immer dann, wenn jemand ein Blatt in der Tasche hat. Und da hat man die ganze Zeit der Trinkerei die Schuld in die Schuhe geschoben.«
    »Er hat mir erzählt, dass er, als er nach der Schlägerei aufgewacht ist, in einem Eukalyptushain war, einem Windschutz«, erklärte er. »In der Nähe einer Milchfarm.« Er durchsuchte Jacks andere Taschen, fand aber nichts weiter und runzelte die Stirn. »Seine Schlüssel.«
    »Was?«
    »Die Leute vom Krankenhaus haben seine Brieftasche gefunden und seine kaputte Uhr, aber keine Schlüssel. Jack hat gesagt, seine Schlüssel hätten sich in ihn gebohrt, als ihm jemand einen Tritt versetzt hat.«
    Helen hielt mitten in der Bewegung ihrer Zigarette zum Mund inne und sagte: »Vielleicht sind sie ihm im Zuge der Schlägerei aus der Tasche gefallen.«
    »Im Zuge der Prügel meinst du wohl. Jack ist nicht dazu gekommen, sich zu wehren.«
    »Aber seine Hände …«
    »Draufgetreten.«
    »Guter Gott.«
    »Ich muss diese Farm finden.«
    Sie drückte die Zigarette aus. »Conn, es ist nur ein Blatt. Eukalyptusbäume gibt’s fast überall.«
    »Nicht in Redaktionsräumen oder Sümpfen oder in der Villa, wo die Party - ach, verdammter Mist.« Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Wrigley hatte Recht. Ich denke nicht mehr klar. Die arme Lily. Ich habe sie nicht einmal angerufen und

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