Totenruhe
Vielleicht kann ich auch gar nichts für Max tun, vielleicht … vielleicht ist er gar nicht mehr am Leben. Aber ich muss es versuchen.«
»Ich will dir eine sehr unhöfliche und direkte Frage stellen, Warren. Ich verspreche dir, dass ich deine Antwort für mich behalten werde. Aber ich muss das wissen, bevor ich mich bereit erkläre, dir zu helfen. Hast du jemanden dafür bezahlt, dass er deine Eltern umbringt?«
»Nein. Ich - ich habe sie gehasst. Aber ich habe keinen Killer angeheuert.«
Auburn sagte nichts.
»Ich behaupte nicht, dass ich völlig unschuldig bin«, fügte Warren hinzu.
Auburn sah ihn an, doch Warren las keine Verurteilung in seinem Blick. Es war fast so, als hätte Auburn gehofft, dass er das sagen würde. Warren hielt seinem Blick nicht stand und sah weg.
»Hast du die Visitenkarte noch, die dir Zeke Brennan gegeben hat, bevor er gegangen ist?«, erkundigte sich Auburn.
»Ja.«
»Möchtest du weiterhin den Familienanwalt der Ducanes konsultieren?«
»Nein. Mit den Kumpanen meines Vaters will ich nichts zu tun haben.« In erregtem Tonfall ergänzte er: »Und zwar mit keinem von ihnen.«
»Vernünftig. Ruf Brennan an. Erzähl ihm alles, was du mir erzählt hast. Und noch mehr, wenn du willst. Er weiß, was zu tun ist. Wenn die Zeit gekommen ist, dass ich dir mit meinem eigenen Wissen unter die Arme greifen muss, tue ich es.«
»Du kannst ein Honorar dafür verlangen …«
»Das will ich nicht.«
»Ich will dich nicht noch weiter ausnützen.«
»Tust du nicht. Darüber brauchen wir uns jetzt nicht den Kopf zu zerbrechen.«
»Warum hast du mir geholfen?«, fragte Warren, als sie auf die Haustür zugingen.
»Ach, aus mehreren Gründen. Wenn ich daran zurückdenke, wie wütend ich in deinem Alter auf meinen Vater war … und was ich mir alles überlegt habe, um mich seiner Kontrolle irgendwie zu entziehen … aber das ist es nicht allein. Sagen wir einfach, dass es mir widerstrebt zuzusehen, wie Leben verschwendet werden, und dass mich zurzeit Sühne mehr interessiert als Bestrafung.«
Warren war sich nicht sicher, ob er begriff, was Auburn meinte, doch er bedankte sich trotzdem. Als Auburn ihm das Versprechen abnahm, ihn am nächsten Tag, also am Mittwoch, anzurufen, willigte Warren ein. Er wandte sich schon zum Gehen, da sagte Auburn: »Und versprich mir, dass du dich nicht umbringst.«
Warren schüttelte den Kopf und erwiderte: »Das kann ich nicht versprechen«, während sich zugleich etwas in ihm entkrampfte, als er das so unverblümt ausgesprochen hörte.
»Na gut, dann versprich mir wenigstens, dass du dich nicht vor Donnerstag umbringst.«
Warren lächelte verhalten. »Na gut. Ich bringe mich nicht vor Donnerstag um.«
Als Warren den Hügel hinabfuhr, sah er, wie sich vor ihm das Meer bis zum Horizont erstreckte. Die Sonne ging unter. An jedem anderen Tag hätte er den Anblick herrlich gefunden. Doch jetzt konnte er nur an Finsternis denken und an endloses, kaltes, tiefes Wasser.
»Todd«, flüsterte er. »Vergib mir.«
Dann sah er den Streifenwagen, der auf ihn wartete, um ihm auf seinem Nachhauseweg nachzufahren. Er fragte sich, wie lange diese Hölle dauern würde.
Mindestens bis Donnerstag.
17
Er musste zwanzig Minuten suchen, aber schließlich entdeckte O’Connor das Zeichen für ein öffentliches Telefon an einem Lokal am Ortsrand und bog auf dessen Parkplatz ein. Er fischte eine Hand voll Münzen aus dem Handschuhfach, suchte die Telefonzelle, ging hinein und zog die Glastür zu. Er bemerkte, dass seine Hände zitterten. Er holte tief Luft, nahm den Hörer ab, warf zehn Cent ein und lauschte, wie es zweimal klingelte, während das Zehn-Cent-Stück durch den Apparat rollte.
Die Vermittlung hätte ihn zwar kostenlos zur Polizei durchgestellt, doch er wollte Norton direkt sprechen. Dan meinte, es werde ungefähr fünfundvierzig Minuten dauern, bis er ein paar Leute verständigt hatte und am Fundort angelangt war, aber O’Connor solle wieder zurückfahren und vor Ort auf ihn warten.
Als Nächsten rief O’Connor Wrigley an.
»Ich dachte, ich hätte gesagt, Sie sollen schlafen gehen«, sagte Wrigley, doch als ihm O’Connor erklärte, warum er anrief, fehlten ihm eine Zeit lang die Worte. »Wollen Sie mir etwa erzählen, dass Jack den Mann getötet hat, der mit ihm gekämpft hat?«, sagte er schließlich.
»Nein. Der Mann wurde erschossen. Jack trägt keine Schusswaffe bei sich. Und er hat nicht mit Jack gekämpft, sondern ihn zusammengeschlagen. Das ist ein
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