Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
Vom Netzwerk:
langwierige und mühsame Aufgabe war, die nur dann Früchte tragen würde, wenn die Polizei von Las Piernas den betreffenden Verdächtigen bereits einmal erkennungsdienstlich behandelt hatte.
     
    In den nächsten zwei Tagen war O’Connor derart mit seiner Arbeit bei der Zeitung und damit beschäftigt, Jack bei Laune zu halten, dass er kaum Zeit hatte, Antworten auf die vielen Fragen zu finden, die er über die Nacht hatte, in der Jack niedergeschlagen worden war. Jacks Fieber ließ nach, doch seine Erinnerungen an den Angriff wurden nicht klarer. Seit er das von Katy und den anderen und die Sache mit der Entführung erfahren hatte, hatte Jack an nichts mehr richtiges Interesse gezeigt. O’Connor hatte den Eindruck, als hätte die Nachricht über Katy Jack schlimmer zugesetzt als der Mann, der ihn mit den Fäusten traktiert hatte.
    Einer der schlimmsten Momente kam, als Jack ihn bat, in
seiner Manteltasche nach seinen Schlüsseln zu sehen. »Vielleicht habe ich sie mitsamt dem Mantel bei Lillian gelassen.«
    »Wahrscheinlich hat man sie dir abgenommen. Erinnerst du dich? Wir haben die Heiligenplakette bei dem Riesen gefunden. Außerdem hast du mir erzählt, dass du die Schlüssel noch in der Tasche hattest, als du in dem Eukalyptuswäldchen zu dir gekommen bist.«
    »Da habe ich mich vielleicht geirrt.«
    »Du hast eine Schnittwunde und einen schlüsselförmigen Bluterguss am Oberschenkel.«
    »Vielleicht hat mich der Riese mit seinem Schlüssel geschnitten.«
    O’Connor beschloss, ihm den Gefallen zu tun, und durchsuchte seine Taschen. »Nichts, außer diesem Zettel.«
    »Was für ein Zettel? Lies vor.«
    O’Connor faltete ihn auseinander. »Da steht …«
    »Was? Was ist los?«
    »Es ist dummes Zeug, weiter nichts.«
    »Gib mir den Zettel, Conn.«
    Widerwillig gab O’Connor nach, aber durch die Verletzungen an den Händen waren Jacks Finger zu ungeschickt geworden, um den Zettel aufzufalten. »Das ist Katys Schrift. Den muss sie mir auf der Party zugesteckt haben. Falt ihn auf und sag mir, was da steht«, verlangte Jack ungeduldig.
    O’Connor holte tief Luft und atmete langsam wieder aus. »Da steht: ›Stimmt es, dass Mitch Yeager mein Vater ist? Du bist der Einzige, der bereit ist, mir die Wahrheit zu sagen. Ruf mich an.‹«
    »Verflucht noch mal!«, rief Jack und hielt sich eine Hand vor die Augen. »Verflucht noch mal!«
    O’Connor wartete, und als Jack nichts weiter sagte, steckte er den Zettel wieder in Jacks Manteltasche und hängte den Mantel auf.
    Jack nahm die Hand nicht von den Augen. Die verschrammten
und geschwollenen Finger lagen über den bandagierten und die Fläche der einen bedeckte die andere, weniger schwer verletzte Hand.
    »Oh Gott. Sie ist in dem Glauben gestorben, dieses Dreckschwein könnte ihr Vater sein«, sagte er. »Wer zum Teufel hat sie denn auf diese abartige Idee gebracht?«
    »Ihr Ehemann, von dem sie sich scheiden lassen wollte?«
    Jack ließ die Hände sinken und sah O’Connor an. »Wahrscheinlich.« Voller Grimm dachte er einen Moment darüber nach. »Dieser Widerling hat nicht zugelassen, dass sie auch nur fünf Minuten allein mit mir spricht, und zwar vermutlich genau deshalb. Gottverdammter Mist! Wie kann man ihr nur etwas so Grausames sagen?«
    Aus Sorge, dass die Aufregung Jack schaden könnte, erklärte O’Connor: »Jack, das spielt jetzt keine Rolle mehr.«
    »Wenn ich daran denke, dass sie da draußen ist … verschollen im Meer, in der Finsternis. In der Kälte. Allein. Und voller Angst.«
    »Nein, Jack. Katy hat nie vor irgendetwas Angst gehabt.«
    Jack lächelte verhalten. »Ja, das stimmt.«
    Eine Weile saßen sie schweigend da, ehe Jack wieder das Wort ergriff. »Sag niemandem was von diesem Zettel, Conn.«
    »Wenn du mich beleidigen willst, Jack Corrigan, dann gehe ich.«
    Jack lachte leise. »Ich habe mich schon gefragt, was ich tun muss, damit du mich endlich in Ruhe lässt.«
    »So, jetzt bleibe ich erst recht«, erklärte er und begann, Jack die Geschichte von Harvey und den Zündplättchen zu erzählen. Jack musste lachen und kam sofort darauf, wer hinter dem Streich steckte. Schließlich erwogen die beiden verschiedene Möglichkeiten, wie Harvey gerächt werden könnte.
     
    Als er am Mittwochabend auf dem Weg zu Jack über den Krankenhausparkplatz ging, hatte er das Gefühl, beobachtet
zu werden. Er wandte sich um, sah aber niemanden. Auch als er den Parkplatz Stück für Stück musterte, entdeckte er nur einen einzigen bekannten Wagen, nämlich

Weitere Kostenlose Bücher