Totenruhe
O’Connor zu sich, während er mit einem Mann von der Spurensicherung sprach. Ein zweiter versuchte, von den trockeneren Abschnitten der Reifenspuren einen Abdruck zu nehmen.
»Du hast gesagt, dass Jacks Schlüssel fehlen?«
»Ja. Habt ihr sie gefunden?«
»Beschreib sie mir. Mitsamt dem Schlüsselanhänger.«
O’Connor überlegte, ehe er antwortete. »Drei Schlüssel an einem schlichten metallenen Schlüsselring. Nickelfarben. Ein Schlüssel für seine Wohnungstür - ein Yale-Schloss, glaube ich. Ein Schlüssel für meine Wohnung und einer für den Hintereingang zum Wrigley Building.« Er zog seine eigenen Schlüssel heraus und zeigte ihnen, wie die beiden letzteren aussahen. »Den fürs Zeitungshaus hat er kaum je benutzt, weil die Tür so gut wie nie abgeschlossen ist. Außerdem hatte er eine
kleine Heiligenplakette an seinem Schlüsselring hängen, aus Messing oder vielleicht sogar Gold - ein gelbes Metall jedenfalls. Ein Geschenk von einem Pfarrer, dem er mal geholfen hat. Die Plakette ist ein bisschen ramponiert - sie hat eine kleine Kerbe, aber Jack will sich nicht von ihr trennen.«
»Was für ein Heiliger?«
»Der Schutzheilige der Reporter - der heilige Franz von Sales.«
Norton nickte dem Mann von der Spurensicherung zu, der daraufhin einen Zellophanumschlag in die Höhe hielt. »Nicht anfassen«, mahnte Norton O’Connor. »Schau dir das Ding an und sag mir, ob es so aussieht.«
In dem Umschlag steckte eine goldfarbene Plakette, die oben eingedellt war. Offenbar hatte man sie mit Gewalt vom Schlüsselring gerissen. Unten hatte sie eine kleine Kerbe.
»Die gehört Jack - Zweifel ausgeschlossen. Sie ist ihm vor ein paar Wochen in der Redaktion in einer metallenen Schreibtischschublade stecken geblieben und hat sich verhakt. Das da unten ist genau die Kerbe, die ihr geblieben ist, als er sie schließlich losbekommen hat. Habt ihr die bei Jergenson gefunden?«
»In seiner Hosentasche.«
»Ohne Schlüssel daran?«
»Ohne Schlüssel, und falls sie nicht im Sumpf liegen, versucht ja vielleicht jemand, damit in Jacks Wohnung einzudringen. Ich lasse sie zwar von einer Zivilstreife überwachen, für den Fall, dass unsere Freunde vorbeischauen, aber auf Dauer kann ich das nicht machen. Meinst du, du kannst mal vorbeifahren und nachsehen, ob die Bude nicht schon auf den Kopf gestellt worden ist?«
»Sicher. Ach, übrigens, Dan, da wäre noch einiges, was ich mit dir besprechen möchte - wegen Katy.«
»Weißt du was? Ganz in der Nähe von Jacks Wohnung gibt es ein Steakhaus. Fahren wir doch schnell bei ihm vorbei,
schauen uns um, schnappen uns seinen Teddybär oder was zum Teufel er sonst im Krankenhaus braucht - abgesehen von einer Flasche Whisky - und gehen wieder. Dann kannst du mir beim Essen von deinen Sorgen erzählen. Und ich komme endlich von dem fürchterlichen Gestank hier weg.«
Jacks Wohnung war verschlossen und wies keinerlei Spuren unerlaubten Eindringens auf. O’Connor rief von einem Nachbarn aus in der Klinik an und erfuhr, dass Jack wach war - und dass Helen ihm erzählt hatte, was Katy und dem Kind zugestoßen war. O’Connor verlangte ihn selbst und fragte ihn, wo der Ersatzschlüssel versteckt sei und ob er etwas dagegen habe, wenn Dan Norton mit ihm in die Wohnung ginge.
Jack klang teilnahmslos, verriet O’Connor aber, dass sich das neueste Versteck in einer Klimaanlage in einem Fenster an der Hinterseite des Hauses befand und es ihm völlig egal sei, was Norton mache. Doch am Ende dieser tonlosen Litanei sagte er: »Schau später noch vorbei, wenn du Zeit hast, Conn.«
»Ich komme auf jeden Fall«, versicherte ihm O’Connor.
»Für einen Trinker«, sagte Norton, während er sich in dem winzigen Wohnzimmer umsah, »führt Corrigan ein geordnetes Leben.«
O’Connor erwiderte nichts. Er ging durch die kleine Wohnung, holte das Buch, das Jack gerade las, vom Nachttisch - Dubliners von James Joyce - und nahm es mit. Soweit er es beurteilen konnte, war in den Räumen nichts angerührt worden.
»Bringst du ihm eine Flasche mit?«, wollte Norton wissen.
»Nein. Ich will ihn ja nicht umbringen.«
»Hat mich etwas gewundert, dass du ihn anrufen musstest, um zu erfahren, wo der Ersatzschlüssel ist. Ich hätte gedacht, dass du selbst einen Schlüssel zu seiner Wohnung hast. Schließlich hat er auch einen zu deiner, stimmt’s?«
»Er schaut nach meiner Wohnung, wenn ich verreist bin. Helen schaut nach Jacks Wohnung, wenn er wegfährt. Sie wohnt näher als ich, und ich
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