Totenruhe
geschwiegen. Jack hatte sich bei Wrigley für Hart eingesetzt und darüber beinahe selbst seinen Job verloren.
Es war kein günstiger Zeitpunkt, um seinen Job zu verlieren, doch für Hart sollte es noch schlimmer kommen. Er war auf die schwarze Liste gesetzt worden. Kein anderes Blatt wollte ihn auch nur mit der Kohlenzange anrühren. Er verlor sein Haus und konnte sich nur mit Mühe über Wasser halten. Jack wurde angst und bange um ihn - erst kurz zuvor hatte ein Freund von ihm, der bei einer Zeitung in L. A. gearbeitet hatte, Selbstmord begangen, nachdem er auf die schwarze Liste gekommen war. Schließlich fand Jack für Hart eine Stelle bei einem kleinen Radiosender in Los Angeles, wo Hart nur im Hintergrund und unter einem anderen Namen arbeitete. Jack musste seinen gesamten Charme versprühen, um Harts verwitwete Schwester dazu zu überreden, ihren »rot angehauchten« Bruder in einem freien Zimmer in ihrem Haus unterschlüpfen zu lassen, bis er wieder auf eigenen Beinen stand, aber als Ames erst einmal bei ihr wohnte, entwickelte sie ihm gegenüber einen ausgeprägten Beschützerinstinkt. Seitdem hatte Hart es zwar wieder zu einer eigenen Bleibe gebracht, doch als O’Connor sah, in was für einem Zustand sich sein Anzug befand und wie abgewetzt seine Schuhe waren, vermutete er, dass Hart sich nach wie vor abstrampeln musste.
»Warum zum Teufel bist du mir gefolgt?«, fragte O’Connor, wobei sein schlechtes Gewissen seinen Ton scharf klingen ließ.
»Ich wollte dich unter vier Augen sprechen«, antwortete Ames und holte nach jedem Wort keuchend Luft. »Du weißt doch, was passiert, wenn dich irgendjemand mit mir sieht.«
»So ist das heute nicht mehr«, entgegnete O’Connor. »Du hast doch die Leute in der Kneipe gesehen. Die jetzige Generation tritt nicht in die Fußstapfen des alten Wrigley. Ich wette, sein Sohn würde dich einstellen.«
Ames lachte kurz auf. »O’Connor, ich weiß nicht, was sympathischer ist - deine Naivität oder dein Optimismus.« Er schnüffelte und runzelte die Stirn. »Vielleicht bist du ja doch nicht so naiv … hast du hier draußen Gras geraucht?«
»Nein, das war ein junges Pärchen vor mir, aber danke für deine hohe Meinung von mir.«
»Allerdings habe ich eine hohe Meinung von dir und von Jack auch. Du weißt, dass ich für den Sender, bei dem ich arbeite, die Nachrichten schreibe?«
»Ja.«
»Ich habe mir ein paar Informanten herangezüchtet. Und da habe ich etwas gehört, das für dich von Interesse sein könnte.«
»Sprich weiter.« O’Connor trat von einem Bein aufs andere. Harts dramatische Eröffnung stellte seine Geduld auf die Probe.
»Ich habe gehört, dass ein Ganove, der in Los Angeles auch bei mir im Viertel Kontakte hat, angeheuert worden ist, um einen Reporter vom Express zusammenzuschlagen. Der Kerl heißt …«
»… Jergenson. Bo Jergenson.«
»Ja«, sagte Hart und blickte so betrübt drein, dass O’Connor sofort bereute, ihm ins Wort gefallen zu sein.
»Ames, hör mal …«
»Dann brauchst du mich wohl nicht.«
»Jergenson ist tot, Ames, und das nicht aufgrund von Altersschwäche. Jemand hat ihm eine Kugel in den Kopf gejagt
und ihn ganz in der Nähe der Stelle liegen lassen, wo man Jack gefunden hat. Einzig und allein daher weiß ich seinen Namen.«
»Ehrlich?« Ames wurde wieder munterer. »Eine Kugel, soso. Tja, das könnte wohl das Frauenzimmer gewesen sein, oder?«
»Was für ein Frauenzimmer?«
»Eine Blondine namens Betty. Eine Hure, aber noch nicht so abgewrackt und kaputt wie die meisten. Sie ist die Geliebte von einem Kerl namens Gus Ronden.«
»Hat sie auch einen Nachnamen?«
»Den hab ich nie gehört. Du kannst allerdings Gift drauf nehmen, dass sie nie Ronden heißen wird. Aber da kann sie wahrscheinlich von Glück sagen.«
»Was weißt du über ihn?«
»Nicht allzu viel. Hat den Ruf, ein bisschen irre zu sein. Vielleicht hast du ihn mal im Billardsalon gesehen - in dem einen an der Ecke, gleich bei der Zeitung?«
O’Connor schüttelte den Kopf.
»Geh mal hin, vielleicht läuft er dir über den Weg.«
»Was treibt er denn so?«
»In erster Linie betätigt er sich als Zuhälter. Angeblich vermietet er hochpreisige Mädchen wie Betty stundenweise, aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass er nicht selbst der Stallbesitzer ist. Wahrscheinlich hängt er bei der Mafia mit drin. Schafft es immer wieder, nicht hinter Gittern zu landen.«
»Was für einen Wagen fährt er?«
Ames zuckte die Achseln. »Weiß ich nicht.
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