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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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Schleier aus Zigarettenrauch barg die Luft im Lokal eine seltsame Mischung anderer Gerüche: starker Kaffee, verschütteter Alkohol und Pseudokünstlertum. Von den echten gab es in Las Piernas nicht allzu viele Exemplare, dachte O’Connor, zumindest nicht auf Dauer. Ob die Lyrikabende im Gabriel’s daran wohl etwas ändern würden?

    O’Connor sah Gabe, der ihm zunickte.
    Er bahnte sich den Weg zur Hintertür, wo sich ihm eine Rothaarige namens Nancy in den Weg stellte, die in der Welt des Gabriel’s vom Zigarettenmädchen zur Bedienung avanciert war. Sie hatte sich großzügig mit »Evening in Paris« begossen. »Warum so eilig, Conn?«, fragte sie im Flüsterton.
    »Ich warte auf jemanden«, antwortete er leise und steckte ihr einen Fünfer zu. »Und ich will den Dichter nicht stören. Hältst du den Knaben ein bisschen auf und lässt mich dann wieder rein?«
    Sie seufzte. »Pass auf dich auf da draußen. Du bist nicht der Erste, der heute Abend durch diese Tür verschwindet. Wahrscheinlich ziehen sie sich da hinten ein paar Joints rein.«
    Er schmunzelte. »Wir eingefleischten Spießer haben gewisse Vorteile gegenüber den coolen Typen.«
    »Du spinnst. Und das meine ich nicht in positivem Sinne.«
    Er sah einen dünnen Mann die Bar betreten. Er kam O’Connor bekannt vor, doch bei dem Dunst und der schlechten Beleuchtung konnte er sein Gesicht nicht deutlich erkennen. Er wirkte schwächlich und seinem Vorhaben, worin es auch bestehen mochte, nicht gewachsen. Das machte O’Connor eher noch argwöhnischer - wenn der Mann nicht stark war, trug er womöglich eine Waffe bei sich, um das auszugleichen.
    Verzögerungstaktik nutzte aber auch nichts.
    Als er sicher war, dass der Mann ihn gesehen hatte, ging er hinaus und blieb so stehen, dass die Tür ihn verdeckte, wenn sie erneut geöffnet würde. Er befand sich nun in der Gasse hinter dem Lokal. Dort hing ein seltsamer Geruch in der Luft, den er zwar erst wenige Male gerochen hatte, aber trotzdem erkannte. Nancy hatte Recht - irgendjemand rauchte hier Marihuana. Er hörte Kichern und wispernde Stimmen, dann stieß ein junger Mann eine Mülltonne aus Metall um, während er mit seiner Freundin davontrottete. O’Connor ignorierte die
beiden und konzentrierte sich auf die Tür. Eine einzelne Glühbirne brannte unter einem grünen Metallschirm über der Tür. Der Rest der Gasse lag im Dunkeln. Er musste den Mann aufhalten, sobald er herauskam.
    Kurz darauf ging zögerlich die Tür auf. O’Connor wartete, bis der Unbekannte auf die Gasse getreten war, und brachte ihn von hinten zu Fall.
    Der Mann stieß geräuschvoll den Atem aus, als er am Boden aufkam. Er blieb so still liegen, dass sich O’Connor einen Moment lang fragte, ob er bewusstlos war. Er drehte dem Mann die Arme auf den Rücken und sagte: »Wenn Sie mich sprechen wollten, hätten Sie bloß bei der Zeitung vorbeischauen müssen.«
    »Das ging nicht«, keuchte eine vertraute Stimme.
    »Ames?«, fragte O’Connor verblüfft.
    »Ja. Herrgott noch mal, Conn, du zerquetschst mich gleich. Geh runter.«
    O’Connor erhob sich, half Ames Hart auf die Beine und entschuldigte sich, während er ihm die Kleider abklopfte. Hart stand wackelig da, die Hände auf die Oberschenkel gestützt und rang nach Luft wie ein Läufer nach einem anstrengenden Spurt. Gott sei Dank, dachte O’Connor, dass er ihm keinen Kinnhaken verpasst oder ihm eins über den Schädel gezogen oder eine der anderen Maßnahmen ergriffen hatte, die ihm in den Sinn gekommen waren.
    O’Connor hatte Ames seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen. Von den Mitarbeitern des Express Red Hart genannt - auch wenn sie ihm das selten ins Gesicht sagten -, hatte Ames die Geschichte des in den Brunnen gefallenen kleinen Mädchens weiterverfolgt und über die Gesetzesänderung geschrieben, der zufolge aufgelassene Brunnen abgedeckt werden mussten. Das war keine zehn Jahre her, doch Hart sah aus, als wäre er seitdem um dreißig Jahre gealtert.
    Hart war einer ihrer besten Reporter gewesen, ein Enthüllungsjournalist,
der eine gewagte Story nach der anderen verfasste - bis dem alten Wrigley das Gerücht zu Ohren kam, Hart sei früher einmal Mitglied der Kommunistischen Partei gewesen, und er von Hart verlangte, es zu dementieren. Hart erklärte Wrigley, dass er nicht das Recht habe, ihm diese Frage zu stellen, und Wrigley feuerte ihn mit der Bemerkung, dass er seinen Job wiederhaben könne, wenn er ihm eine Antwort gäbe - und zwar die richtige.
    Hart hatte beharrlich

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