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Totenseelen

Totenseelen

Titel: Totenseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach
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Heiterkeit auslöst?
    Aber jetzt rutscht sie vor Schwäche vom Stuhl. Sie bekommt kaum Luft. Sie würgt und stöhnt, bis endlich Tränen kommen und sie ruhiger werden lassen. Als sie sich aufrappelt, kann sie keine Spur von Heiterkeit in Friedrichs Gesicht entdecken. Sie spürt nur den Griff seiner Hand, mit der er sie am Arm fasst, um ihr zurück auf den Stuhl an der Nähmaschine zu helfen. Und nun will sie sich endlich von der Seele reden, was sie mit sich herumschleppt.
     
    »Danach habe ich Friedrich nur noch einmal gesehen. Das war, als er kam, um mir zu sagen, dass Roloff fort ist. Dass der Schrecken ein Ende hat. Ein für alle Mal. Und dass es besser sei, wenn ich nicht mehr darüber wüsste. Falls jemand kommt und Fragen stellt. Es ist aber nie jemand gekommen.«
    »Bis jetzt«, ergänzte Pieplow.
    »Du sagst es.« Irma Duve stützte sich mit den Handflächen auf den Tisch, um aufzustehen. »Und ich finde, ihr fangt reichlich spät damit an. Mag der Himmel wissen, was ihr euch dabei denkt.«
    Pieplow empfand das Bedürfnis, sich zu rechtfertigen: »Das Gesetz …«, begann er und wollte darauf hinaus, dass andere die Entscheidung fällten, ob und wie lange noch Fragen gestellt wurden.
    Irma Duve wollte nichts davon hören. »Pah, das Gesetz!«, schnitt sie ihm barsch das Wort ab. »Welches denn? Deins? Meins? Roloffs? Wie weit kommst du denn mit einem Gesetz, das das Papier nicht wert ist, auf dem es steht, weil es den falschen Leuten in die Hände gefallen ist?« Ihre sonst so blassen Augen funkelten ihn zornig an. »Na, was ist? Oder hat’s dir die Sprache verschlagen?«, hakte sie nach, als er schwieg.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er schließlich wahrheitsgemäß.
    »Dann denk drüber nach, bevor du weitermachst.« Ihr Zorn war verraucht, ihre Stimme klang nur noch müde. Sie nahm das Bild, das noch an der Teekanne lehnte, und trug es zurück an seinen Platz auf der Kommode.

18
    »Zu spät, Herr Kriminalrat, zu spät«, raunte Kästner dem Bildschirm zu und warf einen zufriedenen Blick auf den flachen Stapel ausgefüllter Befragungsniederschriften. »Warte, ich les es dir vor«, sagte er, als habe Pieplow, der sich auf den Inhalt seines Ablagekorbs konzentrierte, um Auskunft gebeten. »... vorläufiger Bericht … und so weiter … und so weiter... Verletzung des Sternums – Klammer auf, Brustbeins, Klammer zu – sowie der vierten und fünften Rippe links. Aufgrund der Lokalisation und Beschaffenheit der Fraktur liegt der Schluss nahe, dass ein etwa eins achtzig großer Täter seinen Angriff mit großer Kraft fast frontal zum Opfer ausgeführt hat. Todesursache war vermutlich die Perforation des Herzens mit einem Messer oder messerähnlichen Gegenstand.« Kästner stülpte anerkennend die Lippen vor. »Respekt! Dein Einstein ist ja tatsächlich ganz schön auf Zack. Aber leider nicht schnell genug. Wir sind nämlich fertig, Herr Kriminaloberkommissar!« Es war einer der Tage, an denen Kästner sich die Zeit mit endlosem Schwadronieren vertrieb. Über Böhm, den arroganten Fatzke, der sie wohl für Trantüten hielt. Über den Kommisston in E-Mails, den man sich bieten lassen musste. Über die Verlässlichkeit der Kästnerschen Nase, die gleich gerochen hatte, wie wenig die ganze verdammte Fragerei bringen werde.
    Pieplow ertrug es stumm.
    Urlaub wäre nicht schlecht, dachte er. Raus aus diesem Büro. Am besten sogar weg von der Insel. Ein paar Tage Zeit, sich alles noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen.
    »… oder nicht?« Kästner klang gereizt. Pieplow hatte seine Frage überhört und keine Ahnung, worum es ging.
    »Was?«
    »Ob das hier vollständig ist, hab ich gefragt.« Kästner klatschte mit der Hand auf die Protokollbogen. »Ich will den Krempel endlich vom Tisch haben.«
    »Nicht ganz«, sagte Pieplow. »Einer fehlt noch.«
    »Und weshalb?«
    »Weil ich noch nicht dazu gekommen bin, deshalb.« Pieplow konnte sich einen gereizten Unterton nicht verkneifen, obwohl Vorsicht geboten war, weil Kästners Laune zu kippen drohte. Schließlich war an ihm das Herumgerenne hängen geblieben, während Kästner im Büro seine Invalidenaudienzen abgehalten hatte.
    »Bevor du mit reiferen Damen Schnäpschen trinkst und dir Wollenes schenken lässt, hättest du vielleicht besser erst deine dienstlichen Pflichten erfüllen sollen«, spielte Kästner auf die Nachmittagsstunde an, in der Rieke Voss sich verabschiedet und, zu seinem Erzürnen, nur bei Pieplow bedankt hatte. Kaffee, Sanddorngeist und ein

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