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Totenseelen

Totenseelen

Titel: Totenseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach
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wieder lauter, und hinter dem Zaun hörte man Frauenlachen.
    »Das nun nicht grade«, sagte Pieplow. »Noch ist nichts berichtsreif. Wenigstens meiner Meinung nach. Und wie Kästner ist, weißt du: Am liebsten sind ihm Tage ohne besondere Vorkommnisse mit regelmäßigen Mahlzeiten.«
    Marie lachte. Es fühlte sich gut an, wie sie ihm dabei vertraulich die Hand auf den Arm legte wie jemand, der solche kleinen Gemeinheiten verstand und für sich behielt. Pieplow lehnte sich zurück und genoss die Wärme im Raum.
    Aber dann richtete Marie sich auf. »Ich muss los, Daniel. Meine beiden Damen warten auf mich. Abends bin ich nämlich unersetzlich, musst du wissen.« Sie angelte mit den Zehen nach ihren Schuhen. Im Gehen strich sie sich ordnend durchs Haar, obwohl noch jede Strähne lag, wo sie hingehörte. Auch die, die sich hinter ihrem Ohr den Hals hinabkringelte.
    »Es gab übrigens noch etwas, worüber damals getratscht wurde. Das war die Geschichte mit Clara und dem Kapitän, von der Fine nur weiß, dass …«
    »Welchem Kapitän?«
    »Du kennst ihn bestimmt. Kapitän Brahm, der immer auf der Bank unten am Hafen sitzt.« Weil sie im schmalen Flur vor ihm ging, sah sie nicht, dass er nickte. »Du musst ihn schon gesehen haben. Jeden Tag sitzt er da, seit er wieder hier ist. Dieser Kapitän Brahm und Clara waren damals ein Paar. Jedenfalls dachten das alle. Aber dann war es auf einmal vorbei – niemand wusste, warum – und Clara hat sich mit Roloff verlobt.« Sie blieb so abrupt stehen, dass Pieplow gegen sie lief. Wie es unwillkürlich geschehen kann, wenn zwei zusammenrempeln, legte er seine Hände an ihre Arme. Ganz kurz nur, bevor er sie wieder loslassen musste, weil Marie keineswegs den Halt verloren hatte.
    »Ich hab’s«, sagte sie. »Ein Eifersuchtsdrama. Der Seemann kommt heim, und die Liebste hat einen anderen. Klassisch, findest du nicht?«
    »Doch, schon.« Pieplow bemühte sich, nicht allzu verdrießlich zu klingen, und verschwieg, was ihm im Augenblick noch dazu einfiel: kein Eifersuchtsdrama. Der Polizist kommt nicht aus dem Kahn und die Frau kriegt ein anderer.
    Er blieb auf dem Trittstein stehen, während sie ihr Rad auf dem Gartenweg wendete und Richtung Pforte bugsierte. Er registrierte Geschirrklappern unter einem karierten Tuch im Gepäckträgerkorb und Porreestangen im Netz am Lenker. Milch, Senf und Zucker. Die Einkäufe waren wichtiger gewesen als pünktlich bei ihm zu sein, stellte er resigniert fest. Und das Geschirr unten im Korb … Pieplow stutzte, weil er ein Tuch wie das, mit dem die Teller abgedeckt waren, erst vor kurzem gesehen hatte. Sonnengelbe Karos über einem Keramikteller mit Apfelkuchen.
    »Kennst du eigentlich Dr. Gröning? Luise Gröning?«, fragte er, ohne lange zu überlegen, ob ihn das etwas anging.
    Marie hielt in der Bewegung inne, mit der sie die Gartenpforte öffnen wollte. »Ja«, sagte sie. »Warum?«
    »Weil ich mich gefragt habe, wie dein Geschirr in ihre Küche kommt.« Er grinste, legte die Stirn in Denkerfalten und zog mit der Zeigefingerspitze das rechte Unterlid ein wenig herab. »Du weißt doch: Der Polizei entgeht nichts.«
    »Wenn’s mal so wäre!« Lachend warf sie ihm eine Kusshand zu, stieg auf ihr Rad und fuhr davon. Sie schien zu wissen, dass er ihr nachsah, denn ohne sich umzudrehen, winkte sie ihm noch einmal zu, bevor sie hinter der Wegbiegung verschwand.
    Es war kühler geworden im Haus und dunkler, was Pieplow gern damit erklärt hätte, dass Marie nicht mehr in dem Sessel saß, vor dem der halbvolle Kaffeebecher auf dem Fußboden stand. Auch wenn es eher daran lag, dass die Sonne hinter die Bäume gewandert war, über denen der Abendhimmel langsam an Farbe verlor. In das helle Rot floss wie Tinte ein dunkles Violett, wurde grau und ließ die Baumkronen, die sich eben noch mit scharfen Konturen gegen den Himmel abgezeichnet hatten, weich und schattenlos zurück.
    Sonst setzte er sich um diese Zeit gern hin, um zu beobachten, wie das Leuchtfeuer immer deutlicher sichtbar wurde, wie aus dem nebelartigen Huschen das weit sichtbare Kreisen der Lichtarme wurde. Heute fühlte er sich dazu nicht melancholisch genug.

17
    »Du schon wieder? Weißt du, wie spät es ist?« Wenn er seine Arbeitskluft gegen die Trainingshose getauscht hatte, wollte Werner Duve seine Ruhe haben und ganz gewiss nicht die Polizei im Haus. Auch nicht in Zivil. Schlecht gelaunt taxierte er Pieplow und die Möglichkeit, einfach die Tür wieder zu schließen.
    »Ich möchte noch

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