Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)
Trainingsjacke des Polizeisportvereins hängen.
»Ah, Schwiete, da bist du ja endlich«, sagte er jovial. »Ich habe schon gedacht, dich interessiert unser Häftling gar nicht. Ich habe mir die Dame schon mal vorgenommen. Das Protokoll liegt bei Kükenhöner.«
Schwiete stieg die Zornesröte ins Gesicht, und an seinen Schläfen wurden ein paar dicke Adern sichtbar. »Sag mal, Krügermeyer, bist du eigentlich wahnsinnig? Auch wenn diese Frau einem Kollegen auf das Übelste zugesetzt hat und auch wenn du vielleicht der Meinung bist, man müsse einer Prostituierten nicht unter allen Umständen besondere Höflichkeit entgegenbringen – aber so wie du oder wer auch immer der Frau zugesetzt hat, das geht zu weit!«
Krügermeyer sah Schwiete einen Moment regungslos an. In der nächsten Sekunde wurde er leichenblass und dann puterrot. Die Verärgerung, die Schwiete eben an den Tag gelegt hatte, war ein laues Lüftchen gegen den Sturm, der jetzt über den Hauptkommissar hereinbrach.
»Ich soll der Frau auf das Übelste zugesetzt haben? Bist du noch ganz gescheit?«, entgegnete Krügermeyer zornig. »Ich war die Höflichkeit in Person! Bevor du hier jemandem etwas unterstellst, lies deine Berichte und Protokolle, du Nase! Die Frau war schon so drauf, als wir sie aufgegriffen haben. Ich habe gerade eine Mitarbeiterin von der Organisation Theodora angerufen und sie gebeten, sich der Frau anzunehmen. Und jetzt kommst du und machst mich hier an? Sag mal, hast du sie nicht mehr alle?«
Schwiete hob abwehrend die Hände. »Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung, ich habe die Frau gerade gesehen und …«
»… und hast dir gedacht, ich hätte ihr heimgezahlt, was sie unserem Kollegen Perreira angetan hat«, fiel ihm Krügermeyer, immer noch verärgert, ins Wort. »Nee, nee, Schwiete, so nicht! Das vergiss mal! Auch wenn ich nur ein doofes Streifenhörnchen bin, ein bisschen was kannst du uns auch zutrauen.«
»Bitte, Krügermeyer, es war blöd von mir, aber als ich diese Frau da wie so ein Häufchen Elend sitzen sah, da habe ich wirklich gedacht, ihr hättet sie euch so richtig vorgenommen.«
Krügermeyer hatte sich wieder etwas beruhigt. Er sah durch die verspiegelte Scheibe in den Vernehmungsraum und wischte sich mit der Hand über seinen Dreitagebart.
»Okay, Schwiete, wenn ich die so sehe«, sagte er jetzt etwas versöhnlicher, »dann kann ich deinen Wutanfall sogar ein bisschen verstehen. Dennoch wäre ein bisschen mehr Vertrauen in unsere Kompetenz nicht schlecht.«
Schwiete nickte kleinlaut.
»Ich gebe der Frau jetzt erst mal diese Jacke«, sagte Krügermeyer und zeigte auf die Trainingsjacke, die er dabeihatte, »dann sollten wir sie etwas zur Ruhe kommen lassen und abwarten, was die Sozialarbeiterin sagt.«
Schwiete nickte noch einmal und klopfte Krügermeyer versöhnlich auf die Schulter. Der brummte etwas Unverständliches, ging ins Vernehmungszimmer und ließ Schwiete auf dem Flur zurück.
Eine Mitarbeiterin von der Organisation Theodora, überlegte Schwiete. Von dieser Einrichtung hatte er noch nie etwas gehört. Er überlegte. Theodora, war das nicht eine byzantinische Kaiserin gewesen? Als sein Kollege wenig später auf den Flur trat, ging Schwiete auf ihn zu.
»Theodora? Habe ich nie gehört, Krügermeyer. Was ist das für eine Einrichtung?«
Sein Mitarbeiter wuchs um mindestens fünf Zentimeter.
»Ja, guck mal an, die Kollegen von der Abteilung Mord und Totschlag. Immer eine große Klappe, aber wenn es um Prävention oder konkrete Hilfestellung geht, dann sind sie Analphabeten.«
Krügermeyer machte eine Kunstpause.
»Theodora«, erklärte er dann, »ist eine Organisation, die ihren Sitz in Herford hat. Sie bietet Prostituiertenberatung und Ausstiegsunterstützung für Mädchen und junge Frauen in Ostwestfalen-Lippe an. Die Mitarbeiterinnen beraten und begleiten die Mädchen und Frauen, die in Clubs, Bars, Wohnungen oder Kneipen sexuelle Dienstleistungen anbieten. Karen Raabe ist Sozialarbeiterin, wohnt in Paderborn und ist in vielen Fällen unsere Ansprechpartnerin, wenn es um konkrete Hilfe geht, die Frauen aus dem Milieu benötigen.«
14
Mit dieser faulen Ausrede würde sich seine Frau auf Dauer nicht abspeisen lassen, das wusste Wilfried Kloppenburg nur zu gut. Aber es war ihm nichts Besseres eingefallen, als ihr zu erklären, dass diese Alicija die Sekretärin eines langjährigen Geschäftspartners sei, mit der er immer wieder Termine abstimmen müsse. Außerdem sei sie bereits
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