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Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)

Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Totensonntag: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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bis zum Hals. Sie spürte einen erneuten Widerstand, dann knirschte es. Sofort hörte sie auf, am Tor zu ziehen, und drehte ihren Kopf langsam zu den Wachen. Sie schienen zu schlafen. Frieda schob ihr rechtes Bein durch den Spalt, dann den Arm und den Oberkörper, machte sich noch dünner, als sie ohnehin war. Ihr mittlerweile dickstes Körperteil, stellte Frieda fest, war ihr Kopf. Zwei Zentimeter fehlten wohl noch. Nicht mehr. Zwei gottverdammte Zentimeter, die sie daran hinderten, frei zu sein.
    Sosehr sie sich auch mühte – das Tor war durch sanfte Gewalt nicht dazu zu bewegen, sie hinauszulassen. Tränen der Wut traten ihr in die Augen. Es half nichts. Sie musste dem Tor einen Ruck geben, und das würde man hören. Vielleicht würden die Wachen von dem kurzen Geräusch nicht aus dem Schlaf gerissen. Vielleicht. Vielleicht aber doch. Noch konnte sie zurück ins Heu und abwarten, ob der kommende Tag sie am Leben lassen würde. Aber sie wollte nicht mehr warten. Etwas hatte sich in ihr verändert, seit sie die ersten amerikanischen Kanonen gehört hatte. Nach über zweitausend Tagen der Demütigung und Angst war es ihr mit einem Mal nicht mehr vorstellbar, noch einen weiteren zu überstehen. Frieda drückte ihren knochigen Körper gegen das Tor. Ein Quietschen zerriss die Stille, laut wie ein Schuss, so schien es Frieda und offenbar auch den Mitgefangenen, die atemlos Anteil an ihrem Fluchtversuch nahmen und entsetzt auf die Wachleute starrten. Einer der Männer rührte sich, und das Sturmgewehr fiel ihm aus der Hand. Das Geräusch der zu Boden fallenden Waffe weckte ihn endgültig. Frieda zog den Kopf durch die Tür nach draußen. Das Letzte, was sie sah, war, dass der SS-Mann aufstand.

7
    Herbst 1992
    W allners Blick blieb an Claudias rotlackierten Fingernägeln hängen, die eine Bierflasche vor der gestreiften Bluse umfassten. Claudias Jacke war offen, denn das Feuer in der Zinkwanne strahlte eine angenehme Hitze ab. An der Knopfleiste war die Bluse aufgeworfen, und man konnte hineinsehen auf eine Brust von angenehmen Ausmaßen.
    Claudias Gesicht war rund, sinnlich, um das Kinn herum sehr weich, von schwarzen, halblangen Haaren umrahmt, mit großen Augen und einer etwas hervorstehenden Unterlippe. Das schwere Parfüm, nach dem sie roch, fügte sich in den Gesamteindruck. Wallner mochte keine Parfüms. Schwere schon gar nicht. Er hatte eine empfindliche Nase, und viele Düfte kratzten ihn im Hals oder verursachten Kopfschmerzen. Claudias Parfüm freilich war anders. Zwar war es mächtig, fast aufdringlich, aber es weckte warme Erinnerungen. Wallner konnte nicht sagen, woran, aber die Erinnerungen waren angenehm, sinnlich. Das Geruchsgedächtnis speicherte Düfte ein Leben lang. Die zugehörigen Bilder mochten im Lauf der Jahre verlorengehen. Aber die Erinnerung an den Geruch blieb.
    Sie hatten eine Weile nicht geredet. Claudia sah zum Nachthimmel empor, der Föhn zupfte an ihren schwarzen Haaren. »Schön hier draußen«, sagte sie. »Nur Sterne, Berge und der Wind.«
    »Ja, hat was.« Wallner blickte zum Wirtshaus, in dem unvermindert getrunken und gefeiert wurde. »Du kannst gerne wieder reingehen. Ich meine – da drin ist die Party. Und deswegen bist du ja gekommen.«
    »Ist nicht so dein Ding, oder?«
    »Grölen und Alkohol trinken, bis man keine Stimme mehr hat und in die Ecke kotzt?« Wallner schien einen Augenblick angestrengt nachzudenken. »Stimmt, ist nicht wirklich mein Ding. Ich bin sicher, jede Neandertalerparty war zivilisierter.«
    »Oh ja. Den Neandertalern wird oft unrecht getan.« Claudia drehte sich zum lärmenden Wirtshaus. »Es ist wirklich abstoßend, was da drin abgeht. Aber es macht Spaß. Cheers!« Sie blickte Wallner lachend an und hielt ihm ihre Bierflasche hin. Wallner lächelte höflich zurück und stieß mit ihr an.
    »Natürlich macht es Spaß«, sagte er. »Sonst würden es nicht so viele Leute tun. Vielleicht komm ich ja noch dahinter.«
    Sie setzte die Flasche ab, leckte über ihre Lippen und sagte: »War ich sehr laut … vorhin?«
    »Nun – du warst sicher … eine der tragenden Stimmungssäulen, wenn ich das mal so sagen darf.«
    »Tut mir leid. Das muss sehr irritierend für dich sein. Und dabei warst du so nett, mich herzubringen, obwohl du gar nichts mit dem Besäufnis anfangen kannst.«
    »Ich hab meinen Spaß. Es ist schön hier oben auf dem Berg.« Er streckte seine Nase in den Wind. »Ich glaube, der Föhn lässt nach. Wir kriegen bald Schnee.« Er wandte sich

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