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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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Das verstand Mullavey, und er hatte ihnen sein Okay gegeben, die Druckflächen und Sendezeiten, die bereits für andere Mullavey-Foods-Produkte vorgesehen waren, zu nutzen. Überdies konnten sie für die nationale Einführung auf Zeitungsanzeigen mit Coupons zurückgreifen, da es diesbezüglich keine Fristen zu beachten gab.
    So weit, so gut. Der nächste Punkt der Tagesordnung waren die Ideen für die Werbekampagnen, die sich Todd zum Stopfen dieser medialen Löcher ausgedacht hatte.
    Todds Vorschlag drehte sich um einen leicht zu identifizierenden, nicht unbedingt menschlichen Charakter, der in den zahlreichen Medien vorkommen sollte. Charaktere dieser Art hatten eine lange Tradition, und es gab in der Tat so viele davon, dass man damit glatt eine Stadt bevölkern konnte.
    Todd und Nan hatten eine glatte Computergrafik-Kreatur erschaffen, die an einen bizarren Mutantenhybriden zwischen Colonel Sanders und einer Mr Coffee-Maschine erinnerte. In einigen modellhaften Printkampagnen und einem Storyboard für einen dreißigsekündigen Fernsehspot jammerte dieser noch Namenlose über das Alter und die Arbeitslosigkeit, da nun Magnolienblüten-Kaffeepads auf den Markt gekommen seien und in bequemer Sekundenschnelle den wahren Premiumgeschmack bieten konnten, wodurch er nun nicht mehr gebraucht würde. Todd imitierte beim Vorlesen des Dialogs seiner Schöpfung einen peinlichen Südstaatenakzent, der in den Ohren derjenigen, die ihn wirklich sprachen, wahrscheinlich furchtbar klang.
    Und als die Präsentation zu Ende war, stand Todd mit seiner Präsentationstafel zwischen den beiden Enden des Hufeisens wie Samson zwischen den Säulen. Mit einem frisch geschorenen Kopf.
    Die Stille erinnerte an ein Begräbnis. Justin sackte immer weiter in seinem Stuhl zusammen, und der Schweiß drang in seinen Anzug und seine Krawatte. Er warf einen raschen Blick zu Mullavey und seinen leitenden Angestellten hinüber – den Vizepräsidenten, die über Marketing und Produktion bestimmen konnten, sowie dem Direktor des Getränkezweiges. Sie saßen an ihren netten kleinen Workstations, Ordnern und Laptops, hatten die Stifte sorgfältig vor sich sortiert, und ihre Hände lagen ruhig und gelassen daneben. Richter und Geschworene, jeder dieser finsteren Männer war ein Henker.
    Vielleicht haben wir Glück, dachte Justin. Vielleicht bricht gleich ein Hurrikan aus.
    Andrew Jackson Mullavey seufzte. Er ließ seine Finger über das Gesicht gleiten und schien einige Ewigkeiten lang zu sinnieren.
    »Bitte setzen Sie sich, Mr Whitley«, sagte er sanft, und Todd kam dieser Bitte mehr als gern nach.
    Mullavey wandte sich halb zu einem seiner Vizepräsidenten um. »Wie viel hat Mullavey Foods im letzten Jahr für wohltätige Organisationen gespendet?«
    Der Marketingmann, ein stämmiger Kerl mit der geröteten Nase eines Whiskeyliebhabers, blätterte durch einige Seiten in einem seiner Ordner. Er hielt inne, las und nickte.
    »Lokal, staatlich und regional etwas über sechsundzwanzig Millionen.« Der Ordner wurde geschlossen. Sehr aufdringlich.
    Er wusste es, Mullavey wusste das bereits. Justin war sich ganz sicher. Er wollte es nur noch mal ausdrücklich betonen.
    »Sechsundzwanzig Millionen«, wiederholte Mullavey und wandte seine Aufmerksamkeit erneut den aufgereihten Mitarbeitern von Segal/Goldberg zu. »Vom ersten Tag an, nachdem ich hier von meinem Vater die Kontrolle übertragen bekam, wollte ich, dass Mullavey Foods auf eine Art und Weise agiert, die deutlich macht, dass uns die Gemeinden um uns herum am Herzen liegen. Wir haben die besten Umweltwerte im ganzen Staat. Wir spenden für mehr Wohltätigkeitsorganisationen, als ich aus dem Stand aufzählen kann. Wir haben DreamWish gegründet, eine Organisation, die Wünsche unheilbar kranker Kinder erfüllt.«
    Leonard Greenwald beuge sich vor. »Sir, ich verstehe nicht, wieso Todds Vorschlag dieser öffentlichen Wahrnehmung im Weg steht. Es ist nur ein Entwurf, und wir haben noch Zeit, diesen entsprechend aufzumöbeln.«
    Mullavey seufzte erneut und schüttelte den Kopf. Er massierte sich den Nasenrücken. »Sie können einen Scheißhaufen aufmöbeln, so viel Sie wollen – verzeihen Sie meine deutliche Ausdrucksweise –, aber wissen Sie, was Sie am Ende haben?«
    Zwei Plätze zu Justins Linken klang Todd, als habe er soeben seine Zunge verschluckt.
    Mullavey begann zu rezitieren wie ein weiser Gelehrter, der vor geistig zurückgebliebenen Schülern steht, denen ein wichtiges Detail entgangen war.

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