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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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doch hatte er keine. Da waren die Gärtner, die Wachen, die Hausangestellten und Kathleen Forrest … und alle sahen zu, als sei dies eine Seifenoper.
    Mullavey hatte viele Fragen, die er nur gestammelt hervorbrachte – hatte sie Angst, ging sie nur, bis sich die Dinge beruhigt hatten, hatte er etwas Falsches gesagt oder getan …? Sie beantwortete alle, und Aal spürte einen unterschwelligen Stolz, als er dabei zusah, wie sie ihm die Luft aus den Segeln nahm, ohne auch nur einmal beleidigend zu werden. Mullavey wirkte immer mehr wie ein gebrochener Bittsteller, der von der Göttin, die er über Jahre hinweg mechanisch angebetet hatte, zurückgewiesen wurde.
    Evelyn bedeutete den Gärtnern, sie sollten ihre Arbeit fortsetzen, »Na los, setzt euch in Bewegung«, und sie machten da weiter, wo sie aufgehört hatten.
    »Wagt es nicht!«, schrie Mullavey, wandte sich von ihr ab und den Männern zu, die er über das Meer geholt hatte, damit sie ihm zu Diensten waren. »Denkt … nicht mal … daran … das für sie zu tragen. Nicht einen verdammten Meter weit, verstanden? Mein Haus, mein Land … und mein Befehl!«
    Sie blieben wie versteinert und mit wachsamen Augen stehen, ihre Gesichter waren gleichzeitig weiß und schwarz, und sie warteten, wer den ersten Schritt machen würde.
    »Gut«, meinte Evelyn. »Dann trage ich sie eben selbst zum Wagen.«
    Als sich Mullavey wieder zu ihr umdrehte, war der jämmerliche Tropf verschwunden, und er lachte voller Bitterkeit auf. »Du meinst es also wirklich ernst, was?«
    »Das ist kein Bluff, falls du das glauben solltest.«
    Mullavey scharrte mit den Füßen, kaute auf seiner Unterlippe herum, aber dann gab er schließlich nach, sah die Gärtner grimmig an und trat irritiert gegen den ihm am nächsten stehenden Koffer.
    »Na gut, dann macht schon«, sagte er trotzig. »Schafft mir diesen Mist aus den Augen.« Er wartete, als sie durch die Tür gingen, und Aal spürte, wie sich Mullaveys Präsenz mehr und mehr zu erneuern schien. Es war, als würde er alle Prinzipien über Bord werfen, als würde all das zutage kommen, was Mullavey schon immer sein wollte, aber um ihretwillen nicht sein konnte. Seine Schultern schienen breiter zu werden, die Falten in seinem Gesicht tiefer, er schien beinahe ein neuer Mann zu sein.
    Er sah eigentlich aus, als würde er versuchen, zu Nathan zu werden.
    Er griff langsam nach ihr. Evelyns Gesicht, der stolze Schwung ihrer Augenbrauen, die durch das Gewicht steriler Erinnerungen und einer nicht existierenden Zukunft schwer geworden waren; all der großen und kleinen Dinge, die sie geplant und doch nie erlebt hatte. Aal fragte sich, warum sie ihn oben nicht mit solch unverschleierter Trauer angesehen hatte …
    Während Mullavey seine Hand zur Faust ballte und sie schlug.
    Evelyns Kopf prallte gegen den schweren Türrahmen. Mullaveys Faust zog sich wieder zurück, und Aal bewegte sich, bevor er es überhaupt bemerkte, der Impuls war einfach schneller gewesen. Er zog die Pistole, die geschmeidig aus dem Halfter glitt, und als er sprach, tat er dies mit der Stimme, die alle Hoffnungen des Verdammten zu Eis gefrieren konnte …
    Vier leise Worte: »Sehen Sie mich an.«
    Mullavey drehte sich um, sah die Waffe, die auf seine Stirn gerichtet war, und er senkte den Arm. Das war alles, nicht mehr, und er betrachtete Aal nicht mit der erwarteten Furcht, sondern mit einer trotzigen Neugier.
    »Mr Fletcher«, sagte er mit sanfter und leicht überraschter Stimme, »was soll dieses plötzliche Interesse an meinem Privatleben?«
    Aal sagte nichts, sondern starrte ihn einfach nur über die Waffe hinweg an, während sich Evelyn hinter Mullavey wieder aufrappelte. Sie blutete, aber sie weinte nicht; sie würde zwar eine Schwellung davontragen, doch ihr Lächeln hatte sie noch lange nicht verloren. Und auf welch grausame Weise sich das Blatt gewendet hatte; nun hielt sie die Peitsche in der Hand und war sich dessen auch bewusst.
    Sag es nicht, wollte ihr Aal wortlos übermitteln. Geh einfach durch die Tür.
    »Es kommt durchaus nicht plötzlich, Drew«, sagte sie. »Denn anders als du hat er keine Angst, mit mir in einem Bett zu liegen.«
    Mullavey erstarrte, aber alles in ihm schien in Aufruhr zu sein. Seine Haut, sein Mund und seine Augen hatten sich vor lauter Abscheu gerötet.
    »Das wäre dir vielleicht aufgefallen«, fuhr sie fort, »wenn du den Dingen, die unter diesem Dach geschehen, nur halb so viel Aufmerksamkeit widmen würdest wie ich.« Sie wischte sich

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