Totenstadt
der St. Peter.
Wo er für alle Beteiligten vom Antlitz der Erde verschwinden würde.
Aal machte sich nur wenige Sorgen, dass man ihn später finden würde, als er auf seiner versteckten Route in das verkohlte Charbonneau’s schlüpfte. Mullavey war der Einzige, der noch von der Existenz des Gewölbes wusste, und Aal war sich sicher, dass er keiner Menschenseele davon erzählen würde; das war ein weiteres Detail, von dem er hoffte, dass es genau wie sein Bruder einfach verschwinden und nie auf ihn zurückfallen würde. Die letzte Falltür in dem Boden des unteren Kellers war so gut in die sie umgebenden Ziegelsteine eingelassen – die Tür selbst hatte man mit Mörtel bestrichen und dann eine dünne Schicht Ziegelsteine darauf befestigt – dass man schon genau wissen musste, wo sie sich befand, um sie überhaupt zu bemerken. Sie konnte mit drei Eisenbolzen felsenfest arretiert werden.
Dies war ein Loch, in das man wahrhaftig fallen und das man hinter sich schließen konnte.
Im Licht eines Butanbrenners, der den unteren Keller erleuchtete, stellte Aal seine Tüten beiseite und griff nach oben. An einem Balken verlief ein Draht, der straff wie ein Seil nach unten führte. Er zog einige Male daran. Er führte hinter eine Wand und dann unsichtbar in die Kammern weiter unten, wo er an einer kleinen Glocke befestigt war. Sie hatten vor einigen Jahren überlegt, anstatt der mechanischen eine elektrische Türglocke anzubringen, sich aber dagegen entschieden; was im Nachhinein durchaus weise gewesen war.
Minuten später hörte er das gedämpfte Kratzen der Eisenbolzen, und Nathan öffnete die Tür.
»Hier, nehmen Sie das«, sagte Aal und reichte die Tüten nach unten.
»Was ist das für ein Zeug?«
»Sie wollen doch nicht verhungern, oder?«
Nathan ergriff die Tüten und ging die schwere Holztreppe wieder hinunter, damit Aal Platz hatte und ihm folgen konnte. Er verschloss die Falltür, und sie gingen durch das Gewölbe, während der Klang ihrer Schritte und Stimmen von den Wänden widerhallte und sie vom ständigen Murmeln des Wassers begleitet wurden. Aal verschmolz die Wahrheit mit Lügen und berichtete Nathan, dass es angesichts der Situation auf den Straßen sicherer wäre, noch eine weitere Nacht hier unten zu bleiben, während ihre Männer die paar Opportunisten beseitigten, die versuchten, die letzte Nacht auszunutzen.
»Nur noch eine weitere Nacht?«, meinte Nathan. Sein weißes Hemd war voller Schmutz, und seine Augen schweiften so unstetig umher wie die eines Fuchses, der sich nicht sicher ist, wie lange er den Kopf noch behält, wenn er ihn aus seinem Bau steckt. »Warum fahren wir nicht stattdessen zu A.J.? Noch eine Nacht hier unten, und ich verlier meinen Verstand, hier ist nichts als diese Mauern.«
Aal wartete, bis Nathan sich herunterbeugte, um die Tüten am Eingang zu seinem Humfo abzustellen. Und während ihm Nathan den Rücken zuwandte, zog Aal den Totschläger aus Blei und Gummi aus seiner Tasche, trat einen Schritt näher und verpasste Nathan einen schnellen, festen Schlag hinters Ohr.
»Gewöhn dich daran«, murmelte Aal und machte einen Schritt über ihn hinweg.
Er wusste, dass er hier irgendwo ein paar Ketten aufbewahrte.
31
E XODUS
Als Napolean Freitagnacht Twin Oaks wiedersah, kam es ihm vor wie ein Relikt aus einer Vergangenheit, die sehr viel länger her sein musste. Dieses Mal näherte er sich von der Rückseite, und er kam zu Fuß. Einst besaß er Privilegien, nun war er der Kriminelle … aber er wollte es auch gar nicht anders haben.
Er spürte es mehr, als er es sah; er kam aus dem Wald, erklomm die Mauer und ging dann über die hintere Lichtung, und da war es: Twin Oaks, ein monströses Haus, über dem ein fast noch monströserer Schleier aus Kummer schwebte wie ein Nebel aus Sumpfgasen. Vielleicht war er schon immer da gewesen und ihm nur noch nie zuvor aufgefallen. Vielleicht hatte ihm Macandal aber auch endlich die Augen geöffnet, und er sah die Welt nun so, wie er sie sehen sollte.
Christophe Granvier wartete an dem Punkt, an dem er aufgebrochen war. Ihr Treffen war vom Schicksal vorherbestimmt gewesen, ihre Stärken und ihr Wissen ergänzten sich perfekt, wenn es um die Aufgabe der heutigen Nacht ging. Christophe besaß das Geld, die Mittel, um einen Bus zu mieten. Napolean in seiner Vertrautheit mit den wenig befahrenen Straßen rund um Twin Oaks wusste, wo man am besten parken konnte.
Das Licht des Mondes drang schwach durch die Wolken hindurch und ließ
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