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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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hatte; diese Wächter, die eine verkümmerte Leidenschaft auf diesem Bett beobachtet und geheim gehalten hatten. Sie hatten auch nicht über sie gerichtet. Oder gelacht.
    Er hatte einen Lebensweg eingeschlagen, der allein aufgrund seiner Natur zu einer abstrusen Einsamkeit führte. Er konnte sich vergnügen, und dies sogar exzessiv, aber das waren nichts als vorübergehende Episoden. Letztendlich blieb ihm eine Bestimmung, die sogar über die eines Mönchs hinaus ging. Er handelte mit dem Tod, war ein Schüler zwielichtiger Gottheiten – diese Wege waren gerade mal breit genug für eine Person.
    Doch sein Bedauern hielt sich in Grenzen. Er würde denselben Weg wählen, wenn er sich noch einmal entscheiden müsste.
    Aal erhob sich vom Bett und nahm ihre Hand; sie drückte die seine auf feste und ehrliche Weise. Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter, aber er hielt seinen aufrecht und gab sich damit zufrieden, auf die zurückgekämmten Haarsträhnen hinabzusehen. Mehr Intimität wollte keiner von beiden mehr zulassen.
    »Es wird dir gut gehen«, flüsterte er und ließ ihre Hand los.
    Aal sah sich erst wieder um, als er bereits den Türknauf in der Hand hatte und sie seinen Namen sagte. Er drehte sich um und wartete, während sie vor dem Fenster, dem Abbild der Außenwelt, stand.
    »Ich wusste die ganze Zeit, was du warst, ich wusste es«, sagte Evelyn. »Nicht bis ins letzte Detail, aber ich hatte mehr als nur eine Ahnung.«
    »Warum sagst du mir das jetzt?«
    Sie ging einen Schritt auf die Tür zu, hielt dann aber an, und er dachte, dass er sich wohl auf ewig fragen würde, was geschehen wäre, wenn er sich ebenfalls bewegt hätte. Wenn aus einem Schritt zwei geworden wären und dann mehr.
    »Ich wollte nur nicht, dass du gehst und denkst … dass das der Grund gewesen ist. Ich wollte, dass du es weißt.«
    Er nickte. »Es hätte auch nichts ausgemacht.« Er ließ das als Lebwohl im Raum stehen und schloss langsam von außen die Tür hinter sich. Dann ging er den Gang entlang und wusste mit absoluter Gewissheit, dass sie das Richtige getan hatten.
    Und dass er den Schmerz darüber noch lange Zeit verspüren würde.
    Sein letzter Halt war im Erdgeschoss, im Arbeitszimmer von Andrew Jackson Mullavey. Die Doppeltüren waren geschlossen und höchstwahrscheinlich auch von innen verriegelt. Aal klopfte, bis sich der Mann endlich erweichen ließ.
    Es traf Aal wie ein Schlag ins Gesicht: So groß der Raum auch war und so voller Millionen alter Buchseiten, die Mullavey niemals lesen würde, verstaubter Trophäen von Jagden, an denen Mullavey nicht teilgenommen hatte, so vieler Zigarren, die er in diesem Zimmer geraucht, und so vielen Stämmen, die in dieser Feuerstelle verbrannt waren … so war das Arbeitszimmer an diesem Tag nichtsdestotrotz von dem üblen Geruch eines Mannes durchdrungen, dessen Schweiß zu Gift geworden war.
    »Oh. Sie sind es.« Mullavey stand ihm im Türrahmen gegenüber und machte dann eine abwesende Geste, um Aal hereinzubitten.
    Aal folgte ihm bis ans Ende des Raums zum Granitkamin, den polierten antiken Schrotflinten und den neueren Gewehren, die darüber an der Wand hingen. Mullavey setzte sich hinter den Schreibtisch, der den Großteil der Wand einzunehmen schien. Er hatte nur ein Hemd an – ein Ärmel war aufgerollt, der andere aufgeknöpft und flatterte herum – er trug keine Schuhe, und er sah aus, als habe man ihn heute Morgen gestört, als er gerade dabei war, sich anzukleiden. Er legte die Füße hoch und wies Aal einen Platz vor dem Schreibtisch zu, als sei dies ein höchst informelles Vorstellungsgespräch.
    Mullavey goss sich einen großzügigen Schluck aus einer Kristallglaskaraffe voll Brandy ein und fragte Aal mit hochgezogener Augenbraue, ob er auch einen wolle, was dieser dankend ablehnte. Er nutzte nur seine rechte Hand, die linke war in einem weißen Gipsverband verschwunden. Vielleicht hatte er sich die Hand in der Autotür geklemmt, aber irgendwas schien daran nicht zu stimmen. Mullavey verließ sich so sehr auf seine Fahrer, dass er nach Aals Ansicht bestimmt schon seit Jahren keine Autotür mehr berührt hatte.
    »Ein gottverdammter Schlamassel, was?«, meinte Mullavey und seufzte, dann schüttelte er den Kopf, murmelte »Scheiße« und leerte sein Glas. »Kathleen sagt, Sie hätten ihr versichert, dass es meinem Bruder gut geht.«
    Aal nickte. »Er ist in Sicherheit.«
    »Ist das auch wirklich wahr?«
    »Ich habe nichts zu gewinnen, wenn ich lüge.«
    Mullavey nickte und

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