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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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hingehörst.
    Justin rief all jene zurück, die eine Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter hinterlassen hatten, und als er die Liste durchhatte, suchte er weitere Namen aus ihrem Rolodex. Er sagte jedem Kunden, dass er sich einen anderen Werbegrafiker suchen musste; April sei krank, liege im Krankenhaus und könne vorerst nicht arbeiten.
    Er ordnete ihren Schreibtisch, ihre Staffeleien. Werkzeuge und Stifte, Farben und Pinsel verschwanden in Kartons. Die Rechnungen des letzten Monats wurden nur abgeschickt, weil er schließlich Geld brauchen würde.
    In einem Ordner, der mit Briefköpfe beschriftet war, fand er ein Dokument mit seinem und ihrem Namen. Kingston-Gray & Gray, Ltd., Werbeagentur, stand oben, darunter ihre Adresse und ihre Telefonnummer. An diesem groben Entwurf hing mit einer Büroklammer befestigt ein zweiter, der am Computer entworfen worden und mit ihrem Laserdrucker ausgedruckt worden war, allein der Platz für das Logo war noch ausgespart.
    Er starrte ihn an, bis er vor seinen feuchten Augen verschwamm, und fragte sich, wann sie ihre Meinung geändert hatte. Oder hatte sie sich noch nicht entschlossen? Aber warum konnte sie es ihm nicht zumindest sagen?
    Vielleicht war sie kurz davor gewesen. Er sah es in seiner Erinnerung vor sich: im Motel in Gretna, als sie auf Morenos Rückkehr gewartet und zwischen ihren Liebesspielen ernsthafte Unterhaltungen geführt hatten. Er hatte gerade etwas zu seiner Karrierekrise gesagt, und sie sah aus, als ob sie etwas sagen wollte, irgendetwas, und er hatte sich vor ihrer Schelte gefürchtet und das Gespräch durch eine dämliche Bemerkung über seinen Tod in völlig andere Bahnen gelenkt.
    Hatte sie im Nachhinein nicht ausgesehen wie eine Frau, die mit einer angenehmen Überraschung herausrücken wollte? Er würde es vielleicht nie erfahren.
    Sie war seit drei Tagen fort, als ihm klar wurde, dass er die Katze nicht länger behalten konnte. Ajax erinnerte ihn ständig an sie, und das konnte er nicht länger zulassen. Er dachte an die Nacht, als sie Ajax adoptiert hatten, oder Ajax sie, Stürme wehten vom Golf von Florida herüber, und Wind und Regen rüttelten an ihren Fenstern. Und über den Lärm hinweg war das Jaulen dieser Katze zu hören gewesen, die eigentlich noch ein Kätzchen gewesen war und irgendwie den Weg auf ihre Treppe gefunden hatte. Aprils Herz war weich geworden, und sie hatten sie hereingeholt, zwei Pfund Katze und vier Pfund nasses Fell. Hellgraues Fell, das nass eher blau zu sein schien – wie das Putzmittel, hatte sie gemeint.
    Er fand kein neues Heim für sie bei seinen Freunden oder Bekannten und überlegte schon, ob er sie nicht einschläfern lassen sollte.
    Letztendlich nahmen Aprils Eltern in St. Pete Ajax auf, wo die Katze herzlicher empfangen wurde als er. Was für gute Nasen sie doch hatten, die Kingstons, als sei es ihnen vollkommen leichtgefallen, zu erschnuppern, wer schuld am Verlust ihrer Tochter war. Sie hatten keinen Sohn hinzugewonnen; in ihren Augen repräsentierte Justin den Typ Mann, den April ihrer Meinung nach nie kennenlernen und erst recht nicht heiraten sollte, das vermutete er zumindest. Konnte er es ihnen verdenken? Sie hatten große Hoffnungen und Träume, wie alle Elternpaare.
    Enkelkinder? Wahrscheinlich.
    Also nahmen sie die Katze dankbar bei sich auf.
    Denn etwas Besseres würden sie wohl nicht mehr bekommen.
     
    In der zweiten Dezemberwoche verließ er das Haus, um sich zusammen mit anderen zu betrinken, anstatt allein zu Hause rumzuhocken. Ehemalige Kollegen von Segal/Goldberg versammelten sich in einer schicken Bar, um das eine oder das andere zu feiern.
    Der Außenseiter: Es hatte ihm eine grimmige Befriedigung verschafft, seine Karriere bei Segal/Goldberg in hohem Bogen wegzuwerfen und somit eine weitere rosige Zukunft in Flammen aufgehen zu lassen. Sein Fall glich einem strahlenden Bogen, der in jeder Abteilung sichtbar war und den rasanten Karrieren der anderen als Beispiel dienen konnte.
    Er beobachtete sie von einem Tisch am Rande, der nah genug an der Bar, aber weit genug von der Tanzfläche und der Fleischbeschau entfernt stand. Sie trugen ihre elegante Geschäftskleidung, die sie allerdings für die feierabendlichen Vergnügen gelockert hatten, sie tanzten, sie stürzten Drinks herunter, als wären sie am Verdursten, sie tauschten Visitenkarten mit neuen Bekannten aus. Wie Bienen in einem Bienenkorb mit Steueroasen.
    »Bereust du, dass du gekommen bist?«, fragte sie.
    »Warum fragst du?«
    »Du

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