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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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wolle sich einer ihrer Begleiter verdrücken.
    »Sie ist in guter Form, was?«, meinte Nan.
    »Wusstest du, dass sie mit mir schlafen wollte? Nach diesem Treffen im Juli. Das Flugzeug war noch nicht mal gelandet, da machte sie mir schon Avancen.«
    Nan wich zurück, fuhr sich mit der Hand durch ihre Ponyfransen und versuchte, völlig überrascht auszusehen. »Wow, und du hattest noch nicht mal ein eigenes Büro. Das war ein Kompliment.« Dann ließ sie ihr Kinn auf die aufgestützte Hand sinken und machte ein trübsinniges Gesicht. »Bitte sag mir, dass du es nicht getan hast.«
    »Das habe ich nicht«, erwiderte er, und sie schien wirklich erleichtert zu sein, woraufhin er lachen musste. Es war ein angespanntes Lachen, das seine Augen nicht mit einschloss, ein »Trau mir nicht wenn ich dieses Messer in der Hand habe«-Lachen. »Aber man fragt sich schon, ob das Angebot heute noch gilt. Ich meine … sieh mich doch an.« Er lachte erneut. Seine Ray-Ban hing ihm aus einer Tasche, mit der er seinen trüben Blick später zu kaschieren gedachte. Er war bereit für jede Art von Notfall.
    »Hör damit auf«, flüsterte Nan, und als er den Schmerz in ihren Augen sah, zuckte er innerlich zusammen. Aber sie wollte ihm doch helfen? Dann sollte sie auch sehen, welche Welt sich ihr eröffnen würde; wie begierig wäre sie wohl darauf, inmitten der größten Verwüstung noch immer die Retterin zu spielen?
    »Weißt du, was das Schlimmste an so einer Situation wie dieser ist?«, fragte er. »Es ist die Ehrlichkeit. Jede Lüge, in die du dich eingewickelt hast, wird dir genommen, und es ist so kalt, wenn alles weg ist. Alles, bei dem du dir immer eingeredet hast, dass es etwas bedeuten würde … ist weg.« Alle Institutionen und Glaubenssysteme, auf die er bisher vertraut hatte, waren dem rüden Erwachen zum Opfer gefallen, den geöffneten Augen und vor allem der verlorenen Unschuld.
    »Ich glaube an gar nichts mehr«, erklärte er schließlich. »Das Letzte, an das ich geglaubt habe, war die Ehe. Wir hatten so viel durchgemacht, bis wir an diesen Punkt gekommen waren, daher war ich mir sicher, dass sie alles andere überleben würde.« Ein schwerer Seufzer. »Ich habe mich geirrt. Das hat man davon, wenn man an etwas glaubt.«
    Konnte er Nan zum Weinen bringen oder zumindest dazu, dass sie aufgab? Sie ließ sich nicht gerade leicht unterkriegen. »Du sagst es zwar, aber ich glaube nicht, dass du es auch so meinst. Ich kenne dich besser.«
    »Nein?«, sagte er und zog die Augenbrauen hoch. Er spielte das kaltschnäuzige Arschloch, das dies als Herausforderung anstatt einer Schulter zum Ausweinen ansehen konnte.
    Er sah hinüber zu Allison Hunter, die jetzt allein war, ob nur für den Moment oder länger, war ohne Belang.
    »Pass gut auf«, sagte er und ließ Nan allein am Tisch stehen, während er loszog, um sein Glück zu versuchen.
     
    Es war Morgen, und er wachte als Erster auf, ein Fremder in einem fremden Bett, der noch mehr als zwanzig Minuten darüber nachdenken konnte, wie unschön die Situation sich entwickeln würde, wenn Allisons Wecker erst angegangen war.
    Er wurde nicht enttäuscht.
    Es waren zu viele Jahre vergangen, seitdem er zuletzt diese Phasen des Selbsthasses und der erneuerten Hemmungen durchgemacht hatte. Er konnte sich Allisons Schreck vorstellen, wenn ihr klar wurde, wem sie gestattet hatte, die Heiligkeit dieses Raumes zu stören. Er gehörte nicht mehr ihrer Firma an, war zehn Jahre jünger als sie und saß auf der Straße; er konnte nichts für sie tun und wäre ihr im Endeffekt bloß peinlich. Kühl überlegte er, ob sie wohl jemals zuvor für jemanden, der so niedrig stand, so wenig Macht besaß, die Beine breit gemacht hatte; er erinnerte sich mit leichtem Abscheu daran, dass sie auf Babysprache stand.
    Allisons mit geweiteten Augen vorgetragene Forderung, er solle gehen, ihr krampfhaftes Bemühen, die Decke vom Bett zu ziehen und sich komplett darin zu verhüllen: Das war genau das, was er gebraucht hatte; er hatte weit mehr von der ganzen Sache gehabt als sie …
    Dies war keine Kopulation aus Freundschaft oder geteiltem Leid, das sich den falschen Auslöser gesucht hatte, geworden, sondern nur ein simpler Fick. Nur ein übrig gebliebenes Flackern eines Angebots, das aus kaltem Eigennutz gemacht worden war, und er hätte sich nie träumen lassen, dass er sich jemals derart herablassen und es annehmen würde. Es war besser als die Flasche, weil es irgendwie tiefer ging. Was für eine seltsame

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