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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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verweht aus. Er sah ihn sich an, während kalte Winde durch das Loft wehten, und April spürte, dass sich seine Stimmung änderte. Ajax rollte sich in einem seltenen Anfall von platonischer Zuneigung auf seinem Schoß zusammen, während er sich diesen Film zum fünften Mal in diesem Monat ansah.
    Und hier war er, ein Geier, der Fleischstücke aus einem perfekt erhaltenen Leichnam riss. An diesem Abend kamen ihm seine Mikroversionen und Interpretationen davon weniger wie eine Hommage, sondern eher wie ein Sakrileg vor.
    War das nicht der Lauf der Dinge? Es war wie bei den Autos – ließ man eines lange genug herumstehen, wurde es in seine Einzelteile zerlegt.
     
    Am nächsten Tag, dem zweiten Freitag im August, saßen Justin und der Kundenbetreuer Leonard Greenwald in einem frühen Flug von Tampa nach Richmond, Virginia. Dort holte sie ein Fahrer ab, der sie eine Stunde lang gen Nordwesten nach Essex County brachte. Hier lag eine etwa 250 Jahre alte Plantage namens Hopedowne, die die großartigste Südstaatenvornehmheit zu bieten hatte, die man für Geld mieten konnte. Die Besitzer hielten das Haus normalerweise während der Öffnungszeiten des Museums offen und boten auch Touren durch die geräumigen Hallen an, doch sie ließen sich überreden, einige Tage zu schließen, damit die Filmcrew in Ruhe arbeiten konnte. Aber sie wollten die potenziell gefährlichen Tollpatsche mit ihren Kameras und Scheinwerfern nicht in ihren vier Wänden haben. Alle Außenaufnahmen wurden dort geschossen, die Innenaufnahmen geschahen jedoch in einem Studio in Orlando.
    Auf dem Rasenplatz vor dem Haus in Hopedowne hielt sich ein wimmelnder Pulk aus fünfundzwanzig bis dreißig Menschen auf, Techniker und Assistenten bevölkerten das Grün, das weich genug war, dass man darauf Billard spielen konnte. Das Herrenhaus selbst war im Hintergrund zu sehen mit seinen grandiosen Säulen und seinem herzergreifenden Anachronismus. Drei Stockwerke, verkleidet mit rotem Backstein, umgrenzenden Kaminen und einem weißen Rahmen um die Fenster und den Säulengang. Eine Reihe von Dachfenstern ragte stolz aus dem Dach heraus. Es wuchsen sogar Magnolienbäume im Garten. A.J. Mullavey würde sich freuen wie ein Schneekönig.
    Justin und Leonard standen als Augen und Ohren von Segal/Goldberg weit entfernt auf dem Rasen, ohne direkt einzugreifen. Leonard schlug Justin mit der flachen Hand gegen den Hinterkopf.
    »Ist dir eigentlich klar«, sagte er, »dass das alles deinem Hirn entsprungen ist?«
    Justin grinste. Trotz der Bedenken der letzten Nacht, als er sich den Film erneut angesehen hatte, konnte er den Thrill nicht verleugnen. Man denkt, schwitzt und ringt mit Worten und Konzepten, und nach zwei Wochen sieht man einer Crew aus Experten dabei zu, wie sie alles in die Tat umsetzt. Nicht vielen Menschen war es vergönnt, das Privileg dieses professionellen Rauschs zu erleben.
    Viertel nach acht, und Hopedowne lag gen Osten in Richtung der aufgehenden Sonne, während die Pseudo-Scarlett auf einer mit einem lila Kissen ausstaffierten Schaukel posierte, die an einem dicken Eichenast hing.
    »Sieh dir das doch mal an.« Leonards Stimme klang ehrerbietig. »Sieh sie dir an. Das ist ein feuchter Traum, der Realität geworden ist.«
    Justin sah den schwärmenden Mann an. »Ein großer Scarlett-Fan, was?«
    »Fan?« Leonards Gesicht verzog sich angewidert. »Wir reden hier über einen amerikanischen Mythos. Jeder echte Mann in ganz Amerika denkt wenigstens einmal in seinem Leben, dass es ihm bestimmt gelungen wäre, diese Frau zu zähmen. Und dass diese Frau schon lange in seinem Bett liegen würde.«
    »In dir ist die Romantik des Südens tief verwurzelt, so viel steht fest.«
    Leonard hörte ihm gar nicht zu; dieser Mann war gar nicht mehr anwesend, er war ein Narr, der ins Fantasiereich der Liebe gereist war. »Aber wie viele von uns können sie direkt mit eigenen Augen sehen, in Fleisch und Blut?« Er legte einen Arm um Justins Schulter und zog ihn an sich heran, sodass Justin beinahe das Gleichgewicht verlor. »Also muss ich dir danken. Danke.«
    Justin wand sich, um sich aus der bärengleichen Umarmung zu befreien. »Solltest du nicht lieber den Arsch unseres Klienten küssen?«
    Leonard sagte ihm, dass er einfach zu blöd sei, um die universelle Ouvertüre der männlichen Verbundenheit zu erkennen, und sie gingen weiter, um sich unter einige Crewmitglieder zu mischen, während die letzten Vorbereitungen getroffen wurden.
    Aber Leonard hatte in einer Sache

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