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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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verdammten Schirm besorgen an einem wolkenlosen Tag. Wussten Sie schon, dass der Rest der Crew sie Harlot O’Scare-a, die schaurige Hure, nennt?«
    Augenblicke später wurde Ludden erneut vom Prozess des Filmemachens in Anspruch genommen, und Justin und Leonard zogen sich zurück an die Seitenlinie. Dort standen Stühle bereit, auf denen sie sich während der Zeit niederließen. Aufnahme für Aufnahme, Einstellung für Einstellung. Während Holly Jardine auf der Schaukel saß, schoss ein Fotograf überdies zahlreiche Bilder für die Werbeanzeigen. So konnte man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Und man musste Holly zugutehalten, dass sie einen inneren Schalter umlegen konnte, sobald die Kameras liefen. Die tyrannische Diva verschwand, und eine flirtende Kokette trat zum Vorschein. Sie sprach sogar im makellosen Südstaatenakzent, der Bastionen von Männern erweichen konnte.
    Aber bei Justin war jegliche Mühe vergebens. Er vermisste April, die in Tampa geblieben war und wahrscheinlich an ihrem Zeichenbrett stand, im Hintergrund Dave Brubecks Jazzpiano zur Untermalung. Justin vermisste sie jetzt schon so sehr, obwohl sie sich um vier Uhr morgens noch gesehen und zum Abschied geküsst hatten, wobei sie allerdings noch zu drei Vierteln schlief und leise knurrend zwischen den Laken lag mit zerzaustem Haar und leichtem Mundgeruch.
    Das musste Liebe sein. Es war ein so verdammt reales Gefühl. Da gab er sich gar keinen Illusionen hin.
    Drehort und Crew wurden zur Mittagszeit zur Untätigkeit verbannt, da die Gewerkschaftsordnung eine Mittagspause vorschrieb. Justins Sandwich mit Schinken und Schweizer Käse schmeckte nach der Plastikverpackung. Er aß allein mit Leonard, relativ abgeschieden unter einem Sonnendach; es war ein Bilderbuchtag in der Wiege des kolonialen Amerika. Es kam ihm schon seltsam genug vor, überhaupt hier zu sein, siebenhundert Meilen weit weg von zu Hause, eine Welt und ein Jahrhundert oder zwei davon entfernt, Sieh, wie weit wir gekommen sind anstatt von Sieh, wie tief wir gefallen sind zu sagen.
    Leonard hatte schon die Hälfte seines zweiten Sandwichs gegessen, bevor er überhaupt etwas sagte. »Hast du Probleme wegen dieser Aufnahmen?«
    »Ist es so offensichtlich?« Justin musterte ihn über den Rand seiner Pepsi-Dose hinweg.
    »Nun, für mich schon. Vielleicht für niemanden sonst.«
    »Ich bin hin und her gerissen. Manchmal ist diese ganze Magnolienblüten-Erfahrung für mich wie ein einziger Adrenalinrausch, und ich liebe ihn, ich liebe ihn über alles, und dann wieder … dann fühle ich mich wie ein Grabräuber.«
    »Du meinst den Film?«
    Justin schob den letzten Rest seines Sandwichs beiseite; er konnte den Plastikgeschmack nicht mehr ertragen. »Weißt du noch, als vor ein paar Jahren rauskam, dass Ted Turner die Rechte an all diesen Klassikern, den Schwarz-Weiß-Filmen, gekauft hatte und dass er vorhatte, sie nachzukolorieren? Ist das Leben nicht schön in diesem käsigen Farbschema, das man für Malen nach Zahlen benutzt … was für eine Travestie. Ich hörte es und drehte beinahe durch, ich forderte Ted Turners Kopf genauso laut wie alle anderen.« Er zeigte mit der Pepsi-Dose auf das Set, die Kamera, Hopedowne und Holly Jardine. »Was wir hier machen – was ich mir ausgedacht habe, um unseren Arsch zu retten –, ist das etwas anderes?«
    Leonard dehnte seine Finger und faltete sie dann ineinander. »Sollte das denn überhaupt eine Rolle spielen?«
    Justin lehnte sich zurück, und der Segeltuchstoff seines Regiestuhls bog sich hinter und unter ihm. »Wir wissen zu viel. Wir wissen zu viel über das, was hinter den Kulissen passiert. Was gut ist, wenn man sich wie ein Insider fühlen will. Aber wenn du die Magie spüren willst, während du einen Film siehst oder Ähnliches … das macht die ganze Sache kaputt. Wir wissen einfach zu viel.«
    »Kannst du das nicht aus deinem Kopf verbannen, wenigstens für eine Weile?«
    Justin schüttelte den Kopf. »Früher schon, da glaubte ich, es zu können. Da konnte ich es auch. Ich dachte, ich könnte mein Leben in einzelne Abschnitte unterteilen. Die Dinge voneinander trennen, damit sie sich nicht vermischen, das eine musste mit dem anderen nichts zu tun haben, wenn ich es nicht wollte. Aber das funktioniert nicht lange. Ich hatte nur viele kleine Katastrophen. Und als alles zusammen kam, ergab es eine große Katastrophe.«
    Leonard rieb sich mit einer Hand das Kinn. Er hatte sich morgens noch rasiert, Justin nicht. Zumindest konnte

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