Totenstimmung
vierundzwanzig Stunden verschwunden. Da können wir doch nicht einfach gemütlich ins Café gehen, Frank.«
»Und wenn Heini und Gertrud Krach hatten und er sich einfach eine Auszeit nimmt?«
»Das sieht ihm aber überhaupt nicht ähnlich, geschweige denn Gertrud, dass sie im Streit auseinandergehen.« Wie konnte Frank nur so denken? Eigentlich typisch.
»Einmal ist immer das erste Mal.« Frank beobachtete ein paar Wildgänse, die durch die Wiese am Schloss watschelten.
»Einen Kaffee. Vielleicht hat ja der Wirt die beiden schon mal gesehen.« Ecki seufzte.
Der Wirt des Schlossrestaurants Purino konnte sich aber auch nicht an Schrievers und seinen Begleiter erinnern. »Normale« Walker? Dafür kamen tagtäglich zu viele an seinem Restaurant vorbei, als dass er sich jemanden merken könnte. Zumal, wie der Wirt pikiert meinte, seine Gäste nicht in Sportkleidung bei ihm einzukehren pflegten.
Frank nippte an seinem Milchkaffee und sah durch die große Glasfront nach draußen. Gerade sammelte sich auf dem Kopfsteinpflaster eine Schulklasse, um das Schlossmuseum zu besuchen. So, wie die Jugendlichen auf die Displays ihrer Handys starrten oder an den Stöpseln ihrer iPods fummelten, stand ihnen der Sinn kaum nach Stadtgeschichte.
»Das ist unsere Zukunft.«
»Was?«
Frank deutete auf eine Gruppe Mädchen, die entweder in ihren billigen Handtäschchen oder den Jackentaschen ihrer engen Blousons kramten, telefonierten oder mit ihren dünnen Schühchen unsichtbare Linien auf das Pflaster zeichneten, statt ihrer Lehrerin zuzuhören, die sichtlich genervt Anweisungen zu geben schien.
»Ich fürchte, so ist es.«
Frank musterte Ecki. »Du hast doch auch zwei.«
»Was meinst du, was das jeden Tag aufs Neue für ein Kampf ist. Und zwar ohne das Ergebnis zu kennen.«
»Du meinst …?«
»Genau. Als Eltern haben wir doch nur bedingt Einfluss auf die lieben Kleinen.«
»Schöne Aussichten.« Frank rührte in seinem Kaffee.
»Krieg du erst mal selbst Nachwuchs.« Er biss sich auf die Zunge. Zu spät war ihm klar geworden, was er da gesagt hatte.
»Wir arbeiten dran.«
Frank ließ nicht erkennen, wie er das meinte.
Ecki wollte schon einen lockeren Spruch hinterherschicken, verkniff ihn sich dann aber doch lieber.
»Wir denken immer intensiver über eine Adoption nach.«
»Heißt?« Ecki war nicht sonderlich überrascht. Er hatte mit Marion schon mal über dieses Thema gesprochen. Seine Frau hatte, was ihre Freunde betraf, wahrlich ein Näschen.
»Wir wollen uns einen Termin im Jugendamt besorgen.«
»Das klingt aber nicht sonderlich engagiert.«
»Ich habe keine Lust, mich vor irgendwelchen Sozialfuzzis quasi auszuziehen. Was geht die mein Privatleben an, Ecki?«
»Das sind Spezialisten, die wissen ganz genau, was sie tun. Ich glaube, du hast nur Angst, über dich zu reden.«
»Quatsch. Du siehst doch, womit wir es zu tun haben. Denk doch mal an die Blonde im Haus Emmaus oder an die Vorsitzende von Schmetterling e. V. oder an Radermacher.«
»Sei nicht so negativ, sonst klappt das mit der Adoption nicht.«
»Wusstest du, dass es jedes Jahr Tausende Bewerber um eine Handvoll Babys gibt? Behinderte oder ältere Kinder kannst du sofort haben. Aber Babys?«
»Das klingt ja ganz so, als suchtest du nach Argumenten, um ja keine Adoption zu versuchen. Was sagt Lisa denn dazu?«
»Moment«, brummte Frank. Sein Mobiltelefon hatte sich gemeldet. Beim Sprechen drehte er sich von den Jugendlichen, die noch immer vor dem Café standen, weg, als würden sie ihn in seiner Konzentration stören.
Frank trennte die Verbindung. »Sie haben ihn.«
Eine halbe Stunde später standen Frank und Ecki vor dem Ladenlokal. Torsten Linder und sein Team waren damit beschäftigt, den Verkaufsraum und die kleine Werkstatt auf Spuren zu untersuchen.
Hendrik Jennes war schon zum Präsidium gebracht worden. Der Trödel- und Antiquitätenhändler hatte überrascht reagiert, als Schmitz und Steingröver plötzlich vor ihm standen. Die beiden Zivilfahnder hatten ihn zunächst höflich gebeten, sie aufs Präsidium zu begleiten. Erst hatte Jennes heftig protestiert. Er hatte von »Willkür« gesprochen, davon, »als Unschuldiger belästigt« zu werden.
Auf Nina Steingrövers Frage nach Jennes’ Kontakt zu behinderten Menschen und deren Verbleib hatte Jennes geschwiegen und sich widerstandslos mitnehmen lassen.
»Der Laden ist das reinste Chaos.« Torsten Linder fuhr sich über sein kurz geschnittenes Haar. Der hochgewachsene Leiter der
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