Totenstimmung
haben doch nichts in der Hand. Sie wollen sich doch nur wichtig machen. Nur zu, machen Sie sich ruhig weiter lächerlich.« In seiner Stimme schwang so etwas wie Bedauern mit.
»Ich –.«
Ecki unterbrach seinen Freund. »Kann ich dich kurz unter vier Augen sprechen?« Er zog Frank vor die Tür.
Jennes sah den beiden breit grinsend hinterher.
»Sag mal, was ist los mit dir? Du kannst doch so keine Vernehmung führen! Du kippst einen Eimer Vorwürfe über Jennes aus, und der braucht sich nur einmal kurz zu schütteln und wird noch nicht einmal nass. Das geht so nicht.«
»Hör zu, Jennes geht mir auf den Sack. Der tut doch nur so straight. In Wahrheit ist er kurz davor zu platzen. Hast du seinen Blick gesehen, als ich den Transporter erwähnt habe?« Frank hob Daumen und Zeigefinger. »Wir sind so nah dran, Ecki. So nah.«
»Du musst einen klaren Kopf behalten. So, wie du vorgehst, ist Jennes in spätestens einer Stunde wieder draußen. Sein Anwalt muss gleich hier sein. Carolina wird dir den Kopf abreißen, wenn die Sache schiefgeht.«
Frank lehnte sich an die Flurwand. Es dauerte eine Weile, bis er antwortete. »Du hast ja recht, aber ich bin nicht ganz bei der Sache. Ecki.« Er sah seinen Freund an wie ein verzweifelter Vater, der sein Kind sucht. »Wir müssen Heini finden. Da stimmt was nicht. Der Typ da drin kann warten. Ich fürchte, dass Heinz-Jürgen in echten Schwierigkeiten ist. Ich glaube inzwischen auch nicht mehr an einen Ehekrach. Wir müssen was tun, sonst dreht uns Gertrud völlig durch.«
»Wo ist sie jetzt?«
Frank zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich hoffe, dass sich Jasmin um sie kümmert.«
»Wir haben jetzt keine Zeit für Heini. Nach ihm müssen die Kollegen suchen. Ich sag der Leitstelle Bescheid.«
»Wer hat Dienst?«
»Jagelski.«
Frank seufzte. »Das schmeckt mir alles nicht. Aber okay, die Kollegen werden Schrievers schon finden.«
Bevor die beiden in ihr Büro zurückkehrten, hielt Frank Ecki zurück. »Kannst du Lisa anrufen? Sie soll sich um Gertrud kümmern. Und sag ihr, dass ich später komme.«
»Wo ist Ihr Kollege?« Jennes’ Stimme hatte immer noch den spöttischen Unterton. »Hat er schon genug von Ihren seltsamen Verhörmethoden? Sie benehmen sich wie ein Flegel.«
Frank schaltete das Aufnahmegerät wieder ein und sprach die nötigen Formalien auf. »So, können wir weitermachen?« Ohne Jennes’ Antwort abzuwarten, fuhr er fort. »Seit wann betreiben Sie Ihren Antiquitätenhandel? Und woher beziehen Sie Ihre Waren? Ausschließlich aus Polen oder aus dem gesamten ehemaligen Ostblock? Welche Transportwege nutzen Sie dabei? Und wer sind Ihre Lieferanten?«
»Das sind eine Menge Fragen auf einmal. Borsch, du bist eine Niete. Leider.«
Frank registrierte, dass Jennes ihn geduzt hatte, wollte darauf aber nicht reagieren. Er wartete.
»Ich habe was gesagt. Borsch.«
Frank wollte sich auf keinen Fall provozieren lassen. Er dachte an Schrievers und daran, was passiert sein könnte. Es passte nicht zu Heini, dass er einfach verschwand.
»Ich habe Hunger.«
»Pizza?«
Nun schwieg Jennes. Das Angebot schien ihm nicht zuzusagen.
»Also keine Pizza.«
»Ich habe Durst.«
»Gibt es jemanden, den wir außer Ihrem Anwalt noch informieren sollten?«
Jennes kniff die Augen zusammen, antwortete aber nicht.
»Also keine Pizza und keine Verwandten.«
Jennes rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
»Soll ich das Fenster öffnen? Ist Ihnen warm?«
»Meine Tante. Ich habe eine Tante.«
Der Archivar versuchte seine Beine zu bewegen, aber sie waren ebenso fest verschnürt wie seine Arme. Und er hatte längst kein Gefühl mehr in ihnen. Schrievers schwitzte, obwohl es in seinem Verlies nicht übermäßig warm war. Die Temperatur hatte sich über die Zeit nicht verändert. Er spürte, dass das Hemd trotzdem an seinem Rücken klebte.
Seine Nase war vom Staub fast völlig zu. Er bekam nur mit Mühe Luft. Auch sein Mund war nahezu verklebt, und er wollte auf keinen Fall durch den Mund atmen. Das Geräusch war unerträglich. Dann doch lieber die wenige Luft durch die Nase ziehen und das Gefühl zu ersticken ignorieren.
Was hatte der Typ mit ihm vor? Warum war ihm das alles nicht schon viel früher aufgefallen? Die Fragen nach seiner Arbeit, nach den Kollegen? Natürlich hatte er gedacht, ach, so einer, der sich freut, einen Exoten kennengelernt zu haben, einen echten »Bullen«. Das kannte er, seit er Uniform trug. Selbst wenn er in Zivil unterwegs war, hatte
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