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Totenstimmung

Totenstimmung

Titel: Totenstimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
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wurden noch eine Spur dunkler.
    »Keine Sorge, darum geht es nicht.«
    »Was wollen Sie dann von mir?« Krämer stellte den Kaffeebecher zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
    Frank blieb ungerührt. »Wann spielen Sie?«
    »Wann immer ich Lust dazu habe. Meist donnerstags und samstags. Oder auch zwischendurch. Verschieden.«
    »Am liebsten vor Publikum, nicht wahr?«
    Horst Krämer antwortete nicht.
    »Sie mögen es, wenn Ihnen die Behinderten zuhören, die Sie in der Stadt treffen.«
    »Kann ich jetzt bitte gehen? Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen.«
    Krämer rückte seine Baseballkappe zurecht und wollte aufstehen.
    »Setzen Sie sich bitte wieder. Ich spiele auch Mundharmonika.« Frank zog die Schreibtischschublade heraus und legte eine Harp auf die Unterlage.
    Horst Krämer sah auf die Bluesharp, sagte aber nichts.
    »Eine in d-Moll.«
    Krämer verzog keine Miene.
    »Ich spiele in einer Bluesband.«
    »Und?« In Krämers Blick lag Abwehr.
    »Wir sind sozusagen Kollegen.«
    »Und?«
    »Zu unseren Konzerten kommen oft auch Behinderte. Sie stehen immer vorne. Behinderte Menschen lieben Musik.«
    »Kann sein.«
    »Es ist toll zu sehen, wie sich manche von ihnen zur Musik bewegen können.«
    »Keine Ahnung.«
    »Wirklich nicht?« Ecki legte seinen Stift zur Seite.
    Horst Krämer richtete sich auf. Die Unterhaltung schien ihm zusehends zu missfallen. »Hören Sie, was erzählen Sie mir da? Ich habe mit Ihrer Musik nichts zu tun. Schön, dass Sie auch Mundharmonika spielen. Aber ich möchte jetzt bitte gehen.«
    »Wie gesagt, noch nicht.«
    »Was wollen Sie denn von mir?«
    »Wir ermitteln in einem Mordfall.« Franks Stimme klang hart.
    Der Mundharmonikaspieler blieb ungerührt. Frank beobachtete Krämers Augen und Hände. Sie verrieten nichts. Krämer hielt sie gefaltet wie zu einem stummen Gebet.
    »Und was habe ich damit zu tun?«
    Du bist eine Spur zu gelassen, dachte Ecki.
    »Sie haben sich regelmäßig mit Behinderten auf der Rathaustreppe in Rheydt getroffen.«
    »Ist das verboten?«
    »Kennen Sie Elvira Theissen?«
    »Nein. Wer soll das sein?« Krämer blieb ruhig.
    »Eine junge Frau mit Down-Syndrom.«
    »Warum fragen Sie mich das?«
    »Sie ist tot.«
    »Ich kenne die Frau nicht.«
    »War sie nicht regelmäßig am Rathaus?«
    Horst Krämer verschränkte erneut die Arme. »Hören Sie, ich kenne die Frau nicht. Ja, ich treffe schon mal Behinderte. Sie sind harmlos und wollen mir nur zuhören. Ich habe sonst nichts mit ihnen zu tun. Wenn es mir zu viel wird, gehe ich. Fragen Sie die Leute im Rathaus oder im Café gegenüber, ich habe noch nie Probleme gehabt.«
    »Sie hatten eine behinderte Schwester.«
    Krämer öffnete verblüfft die Arme, um sie sofort wieder zu verschränken.
    »Was? Woher?« Irritiert sah Krämer von Frank zu Ecki.
    »Ja?«
    »Was soll das? Meine Schwester ist schon lange tot.«
    »Woran ist sie gestorben?«
    »Behinderte leben nicht lange. Sie hatte Down.«
    »Waren Sie froh, als sie starb? Behinderte können eine große Belastung für eine Familie sein.« Franks Stimme klang sanft. Er nahm die Bluesharp in die Hand und drehte sie zwischen den Fingern.
    Horst Krämer sprang auf. Seine Stimme zitterte. »Was erlauben Sie sich? Ich habe meine Schwester geliebt. Sie hatte es nicht leicht. Meine Eltern hatten es nicht leicht. Mit den Fingern haben die Leute auf der Straße auf uns gezeigt. Menschen können so grausam sein. Deshalb sind wir fortgezogen, nach Emmerich. Aber auch da wurde es nicht besser. Früher ist man anders mit Behinderten umgegangen, hat sie in Heimen versteckt. Meine Eltern haben sich dagegen gewehrt. Aber am Ende haben sie keine Kraft mehr gehabt.«
    Aufgeregt ruderte Krämer mit den Armen. Es sah aus, als wolle er sich jeden Augenblick auf Frank stürzen.
    »Setzen Sie sich wieder«, befahl Frank mit leiser Stimme und legte die Mundharmonika zur Seite.
    Krämer ließ sich wieder auf den Stuhl fallen. Er sah aus wie jemand, der es gewohnt war, herumgeschubst zu werden.
    »Der Tod Ihrer Schwester, war das so etwas wie eine Erlösung für alle?«
    Krämer antwortete nicht. Stattdessen fixierte er das blanke Metall der Mundharmonika.
    »Waren Sie als Kind eifersüchtig auf Ihre Schwester, weil sie so viel mehr Aufmerksamkeit bekommen hat als Sie?«
    Krämers Augen musterten weiterhin den Deckel der Harp.
    »Warum sind Sie aus Emmerich weggezogen?«
    Es dauerte lange, bis Krämer antwortete. Seine Sätze klangen spröde. »Meine Eltern tot, meine kleine

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