Totenstimmung
Wir sind raus aus dem Braunkohlendorf. Das war uns am Ende nicht mehr geheuer. Wenn die Hausbesitzer wegziehen, kommen die Vandalen, brechen überall ein und schlagen alles kaputt.«
Ecki nickte geistesabwesend. Nicht nur die Kellnerin sah gut aus, auch das Stück Sahnetorte, das sie gerade vorbeitrug.
»Und unseren Namen müssen wir jetzt doch ändern.« Frank seufzte. Das war ja nicht mit anzusehen, fehlte nur noch, dass er anfing zu sabbern.
»Den Namen ändern?« Ecki hob die Hand und bestellte ein Stück Herrentorte.
»Ja, aus STIXS mit S machen wir STIXX mit zwei X . Eine Band aus dem Norden hat uns mit einem Urheberrechtsstreit gedroht.«
»Aha.«
»Hörst du mir eigentlich zu?«
»Aha.«
»Ecki?«
»Was? Ja, ihr seid die Urheber von STIXS .«
»Vergiss es.« Frank setzte seine Sonnenbrille auf.
»Ab wann?«
»Gib dir keine Mühe.« Frank streckte die Füße aus und lehnte sich im Sessel aus Korbimitat zurück.
»Ab wann?«
»Offiziell vor unserem nächsten Konzert«, knurrte Frank.
»Sicher, dass es mit zwei X keinen Ärger geben wird?«
Frank zuckte mit den Schultern. »Nö.«
Die Band hatte in den vergangenen Monaten einen Richter am Landgericht, mit dem Frank befreundet war, auf das Problem angesetzt. Es hatte zwar einige Wochen gedauert, schließlich hatte der Experte ihnen grünes Licht gegeben.
Ecki stupste seinen Freund an. »Hey, nicht pennen, du bist im Dienst.«
»Ja, und Beamter. Da werd ich doch mal die Füße langmachen dürfen.« Frank blinzelte hinter seiner Sonnenbrille. »Lass mich einfach hier zurück, Kamerad. Geh deiner Wege. Ich bin zu müde. Viel Glück und grüß mir die Heimat.«
»Die Nächte sind wohl etwas kurz im Augenblick, was?«, feixte Ecki.
Frank schloss erneut die Augen. »Iss du deine Herrentorte.«
Ecki grinste, sagte aber nichts mehr.
Frank nahm die Geräusche der Stadt in sich auf, die sich in seinem Kopf zu einem ganz eigenen Bild zusammensetzten: die Gesprächsfetzen von den Nachbartischen, das Scharren von Füßen, das Umblättern einer Zeitung, das leise Klappern mit Tellern und Tassen, eine Fahrradklingel, vorbeieilende Passanten, das Zischen der Kaffeemaschine.
Die Stadt machte ihn schläfrig. Die Welt konnte doch ein recht friedlicher Ort sein. Als Ecki zufrieden den Teller wegschob und noch einen Milchkaffee bestellte, begann Frank auf dem harten Kunststoffgeflecht seines Sessels herumzurutschen. Er saß doch eher unbequem.
Lisa hatte sich zu ihrem Fundstück vom Sperrmüll fünf passende Stühle ausgesucht und Jennes gleich zum Aufarbeiten dagelassen. Lisa war ganz vernarrt in die schlichten Sitzmöbel und malte sich schon aus, wie prächtig sie mit ihrem warmen Holzton und dem neuen Geflecht wohl aussehen würden.
Frank freute sich über ihre Euphorie, obwohl er die Begeisterung für Hendrik Jennes nicht ganz teilen konnte. Der Mann war ein Trödelhändler, der es geschickt verstand, Interessenten zu Kunden zu machen und an seinen Laden zu binden. Nun wollte Lisa ihn unbedingt in den Bunker schleppen, in dem Jennes sein Lager hatte, um ihm ein »total süßes Vertiko« zu zeigen.
Frank nahm die Hand vor den Mund, aber zum Gähnen kam er nicht, denn Ecki war aufgesprungen und hatte dabei fast den Tisch umgeworfen.
»Radermacher.«
Mehr sagte Ecki nicht, dazu war er zu sehr damit beschäftigt, sich einen Weg zwischen den eng stehenden Tischen und Stühlen hindurchzubahnen.
Frank zeigte der völlig verdutzten Kellnerin seinen Dienstausweis und folgte seinem Kollegen, der schon ein gutes Stück Vorsprung hatte. Frank hatte gerade noch Zeit, sich umzudrehen und der jungen Frau »Einsatz, sind im Dienst!« zuzurufen.
Kopfschüttelnd und ratlos sah die Kellnerin den beiden Ermittlern hinterher. Die anderen Gäste beobachteten die beiden Polizeibeamten wohl in der Hoffnung, Zeugen einer spektakulären Festnahme zu werden. Sie wurden allerdings enttäuscht, denn die beiden Fahnder verschwanden nahezu gleichzeitig um die Ecke des historischen Rathauses.
»Wo ist er?« Frank war außer Atem.
»Weiß nicht. Vielleicht auf dem Weg in die Wohngruppe. Dann haben wir ihn gleich.« Ecki sah sich suchend um. Er machte nicht den Eindruck, als hätte das Laufen ihn sonderlich angestrengt.
Frank deutete nach vorn. »Ist er das?«
»Das ist er.«
Auch Ecki hatte jetzt den Mann entdeckt, der im Strom der Passanten, die Richtung Marienplatz unterwegs waren, unauffällig mitschwamm. Er war groß und sehr kräftig, hatte kurzes mittelblondes Haar, bis
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