Totenstimmung
Frank, der sich ertappt fühlte.
Jasmin Köllges grinste. »Muss dir nicht peinlich sein.«
Du hast gut grinsen, dachte Frank, bist ja grade mal über zwanzig.
»Ist mir auch nicht peinlich«, schnaufte Frank. »Ich muss nur was tun, sonst rennt mir jeder Taschendieb davon.«
»Du machst beim Fitnessprojekt des Präsidenten mit?«
Seine Kollegin hüpfte jetzt mehr auf der Stelle.
»Nee, ich mach das aus freien Stücken.«
Jasmin sah sich um. »Ist Ecki nicht dabei?«
»Ecki ist mit seiner Frau einkaufen.«
Jasmin schien ein wenig enttäuscht zu sein. »Na, dann.«
Frank musste trotz der Anstrengung schmunzeln.
»Läufst du oft?«
»Fast jeden Tag.«
»Und wie weit?«
»Mindestens zehn Kilometer.«
»Ganz ordentlich.« Franks Lunge schmerzte. Er sollte beim Laufen nicht so viel reden.
Jasmin Köllges sah auf ihre Armbanduhr.
»Bist du gut in der Zeit?« Auch wenn Frank sich noch so sehr bemühte, seine Worte kamen nur stoßweise.
»Sei mir nicht böse, aber langsam laufen strengt mich zu sehr an.«
Seine Kollegin beschleunigte, drehte sich noch einmal kurz um und rief: »Grüß Ecki von mir.«
Frank hob betont lässig eine Hand. »Mach ich.«
Jasmin hätte ihn ruhig noch ein Stück begleiten können. So langsam war er ja nun doch nicht.
Frank lehnte kaum an seinem MGB und versuchte, wieder zu Atem zu kommen, als Jasmin um die Ecke bog.
»Ich hab noch eine Runde drangehängt.« Sie stellte sich neben Frank und begann, sich zu dehnen. »Dabei ist mir euer Fall durch den Kopf gegangen.«
»Aha?« Frank betrachtete Jasmins muskulöse Arme, die sie auf ihren Oberschenkel aufgestützt hatte, der in einer hellen Jogginghose steckte.
»Ihr habt doch die abgetrennten Finger gefunden.« Jasmin Köllges wechselte die Position.
»Richtig.« Frank streckte die Arme seitlich aus. Dehnen war noch nie seine Sache gewesen.
»Seid ihr schon ein Stück weiter?«
Er überstreckte mit einigen abrupten Bewegungen seine Oberarme. Sein Rücken schmerzte. »Eine Frau mit Down-Syndrom. Sie war schon tot, als man ihr die Finger abgeschnitten hat.«
»Das ist alles?«
»Mehr haben wir noch nicht.«
»Wenn niemand mit diesem Gendefekt vermisst wird, kommt sie sicher nicht aus der Gegend.« Jasmin Köllges richtete sich auf.
»Auch das haben wir schon überlegt.« Frank konnte sein linkes Knie nicht durchdrücken, ohne dass es schmerzte.
»Es kann doch sein, dass die Frau gar nicht aus Deutschland kommt. Vielleicht ist sie aus Osteuropa.«
»Wir haben eine Anfrage in den Niederlanden laufen.«
»Das kann doch dauern, oder nicht? Ich kann mich gerne mal darum kümmern.«
Aha, daher weht der Wind, dachte Frank. Sie will sich verändern und für eine Karriere bei der Kripo Punkte sammeln.
»Schrievers kümmert sich schon. Durch seine Arbeitsgruppe in der PER hat er ganz enge Kontakte. Aber trotzdem danke.«
Seine Kollegin ließ sich nicht so schnell entmutigen. »Die ›Polizeiliche Euregio Rhein-Maas-Nord‹ wird eines meiner Schwerpunktthemen im Studium sein. Ich bin sicher, dass man die Zusammenarbeit mit den niederländischen Kollegen noch deutlich verbessern kann. Aber was ich eigentlich meine: Auch eine behinderte Frau verschwindet nicht einfach so. Es muss Spuren geben.«
Frank lächelte. »Wenn dir etwas einfällt, melde dich. Ich bin für jeden Hinweis dankbar.«
»Es kann doch sein, dass die Frau vor der Öffentlichkeit versteckt worden ist und man sie irgendwann getötet hat. Oder sie ist in Osteuropa entführt worden. Es soll dort Heime geben, die Behinderte wie Vieh halten. Da fällt es nicht weiter auf, wenn jemand fehlt. Wer weiß, vielleicht ist die Frau dann hier für irgendwelche Experimente missbraucht worden. Und man hat sie anschließend als unbrauchbar weggeworfen.«
»Mal angenommen, du hast recht, warum schneidet man ihr dann die Finger ab und lässt sie uns finden? Nein, es muss etwas mit uns«, Frank unterbrach sich, »vermutlich sogar mit mir zu tun haben.«
»Ich werde auf jeden Fall mal die Vermisstenlisten aus Osteuropa durchgehen. Wenn man mich lässt. Wer weiß, vielleicht ist die Frau ja auch aus einem Heim abgehauen und von Lkw-Fahrern mitgenommen worden. Sex gegen Kilometer.«
»Sex mit einer behinderten Frau?«
»Wäre nicht das erste Mal.«
Gisbert Baltes nahm die Mütze ab und setzte sich.
»Der Artikel hier ist gerade in der Neuen Rhein Zeitung erschienen. Hat mich ziemlich nachdenklich gemacht.«
Frank nahm die Fotokopie in Empfang.
Frank reichte den Text an Ecki
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