Totenstimmung
deiner alten Gurke nicht hören können.«
»Auf jeden Fall.«
»Also«, Rostek reckte seinen untersetzten Körper, »wenn ihr mich fragt, eiert das Band.«
»Das Band?« Frank runzelte die Stirn.
»Ich habe das Zeugs ja nun doch ein paarmal öfter gehört als ihr. Und ich finde, dass das Band eiert. Auf alle Fälle hat der Typ nicht live ins Telefon gesprochen. Er hat unsere Nummer angewählt und dann das Band abgefahren.«
»Du meinst …?« Auch Ecki wurde jetzt aufmerksam.
»Genau. Der Text kam nicht aus dem Computer, sondern von einem Tonbandgerät. Dass es so etwas heute überhaupt noch gibt.« Rainer Rostek überlegte kurz. »Eine RevoxBandmaschine oder ein altes Uher-Tonbandgerät. Vielleicht auch Grundig. Jedenfalls leiert das Band ein bisschen und schleift.«
Frank nickte. »Ich erinnere mich. Ich hatte auch so ein Grundig TK irgendwas. Stundenlang habe ich damals Musik aus dem Radio aufgenommen, meist Hilversum III . In unserem kleinen Badezimmer, denn da war die Akustik besser. Trotzdem klang das Ganze ziemlich scheiße. Aber ich hatte immer die beste Musik. Livin’ Blues zum Beispiel.«
»Könnt ihr die Verbindung prüfen?« Ecki sah Rostek an.
»Läuft schon. Wenn ein Handy im Spiel war, können wir maximal den Sendemast orten, in dessen Umfeld sich das Handy eingeloggt hat. Und wenn der Typ clever war, hat er ein Prepaidtelefon genommen.«
»Aber vielleicht hat er einen Fehler gemacht.«
»Vielleicht sind es auch zwei?«
»Was meinst du, Rainer?«
»Es könnte doch auch ein Pärchen hinter der Sache stecken.«
Frank sah den Leitstellenbeamten überrascht an. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht.«
Rainer Rostek straffte sich erneut. »Ist nur so eine Idee. Aber ich bin dann mal weg.«
»Viel zu tun?« Ecki lächelte seinen Kollegen an.
»Nee. Das war gerade meine letzte Amtshandlung. Ich bin die nächsten zehn Tage nicht da. Muss noch packen.«
»Frankreich?«
Rostek nickte. »Frankreich.«
Frank und Ecki seufzten hörbar.
Nachdem Rostek gegangen war, hackte Ecki Buchstaben in seine Tastatur. »Carlo Karges. Der Text ist von Carlo Karges, die Musik von der Band Novalis.«
Frank war die ganze Botschaft ein Rätsel.
»Er muss im Präsidium einen Informanten sitzen haben.« Ecki hob den Kopf und sah Frank über den Rand seines Bildschirms an.
»Und wer soll das sein?«
»Keine Ahnung.«
Olivia Neuhausen, geborene Möller, raffte ihr Brautkleid zusammen und sah nach unten. Die Basaltstufen der Rathaustreppe konnten tückisch sein, und sie wollte auf dem Weg zur Limousine weder mit ihren Pumps ausrutschen noch im Stoff hängen bleiben.
»Gib mir deine Hand, Christian.« Die frisch gebackene Frau Neuhausen ergriff die Hand ihres Mannes und schritt langsam die Stufen hinunter und der Hochzeitsgesellschaft entgegen.
Auf der untersten Stufe blieb das Brautpaar stehen, um seinen Gästen die Gelegenheit für ein Foto zu geben.
Olivia schmiegte sich eng an Christian, um dem Reis zu entgehen, der in einem dichten Schauer auf sie niederging.
»Tante Olli, Tante Olli.« Aus der Gruppe der Hochzeitsgäste löste sich eines der beiden Blumenmädchen.
»Antonia!« Olivia Neuhausen beugte sich zu ihrer Nichte, so weit das Brautkleid dies zuließ.
»Das ist für dich.« Die kleine Antonia hielt ihr mit ernstem Gesicht eine ältere Tasche entgegen, in der früher einmal Babys oder größere Puppen getragen worden waren.
»Die ist aber schwer.« Olivia Neuhausen nahm ihr die Tasche ab. »Was ist denn da drin?«
Antonia zuckte mit den Schultern. »Ein Baby.«
Die Umstehenden lachten. Vereinzelt war ein »Jetzt schon?« zu hören.
Olivia Neuhausen winkte ab. »Was ihr immer gleich denkt, typisch Neuhausener Getratsche. Das hört mir auf!«
»Aufmachen, aufmachen.« Die Gäste ließen keinen Zweifel, sie wollten den »geheim gehaltenen ›Fehltritt‹« sofort sehen.
Die frisch getraute Frau Neuhausen löste sich aus dem Arm ihres Mannes und schlug neugierig das Moltontuch zurück, mit dem das »Neugeborene« zugedeckt war.
Ihr gellender Schrei übertönte jeden Laut der Hochzeitsgäste. Der entsetzte Blick der Braut ließ sie unwillkürlich einen Schritt zurücktreten.
Die Tasche lag jetzt zu Füßen der Brautleute.
Olivias Schwiegervater hatte sich als Erster gefangen. Entschlossen zupfte er an seinen Manschetten und ging auf seine Schwiegertochter zu, die wie erstarrt dastand, und hob die Tasche vom Boden auf. Allerdings hatte er in seiner Aufregung nur einen der beiden Henkel
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